Wer profitiert von weniger Autoverkehr in der Stadt? Wer verliert? 

Barbara Laa, TU Wien
Die Mobilität der Menschen ist im Wandel: Doch wie lässt sich dieser Wandel gestalten? Barbara Laa, TU Wien im Interview.
  • Weniger Autoverkehr in Städten verbessert Lebensqualität durch weniger Lärm, bessere Luft und mehr Grünflächen.
  • Die Umgestaltung von Straßen in Wien fördert Radverkehr und schafft autofreie Zonen, mit laufenden Projekten wie Supergrätzl und Mariahilfer Straße.
  • Erfahrungen zeigen, dass Verkehrsberuhigung positive Auswirkungen auf Stadtleben und lokale Wirtschaft hat, trotz anfänglicher Bedenken.

Weniger Autos in den Städten – was bedeutet das eigentlich? Weltweit experimentieren Metropolen mit neuen Wegen, den Autoverkehr zu reduzieren und damit die Lebensqualität zu steigern. In Paris werden ganze Straßen für den Autoverkehr gesperrt und in Grünzonen verwandelt. In Barcelona entstehen sogenannte „Superblocks“, in denen Autos nur noch am Rand fahren dürfen. Und in Oslo hat man große Teile der Innenstadt komplett autofrei gemacht – mit spürbaren Verbesserungen für Umwelt, Gesundheit und Stadtleben.

Solche Entwicklungen zeigen: Weniger Autos bedeuten nicht nur weniger Stau, sondern eröffnen neue Möglichkeiten für städtisches Leben. Doch wie lässt sich dieser Wandel gestalten – und welche Chancen und Herausforderungen bringt er mit sich?

Mobilitätsexpertin Barbara Laa von der TU Wien im Interview.

Weniger Platz für Autos, mehr für die Menschen: Wer mit den Öffis gut angebunden oder gut zu Fuß ist, findet das eine gute Idee. Wer auf das Auto angewiesen ist, weniger. Wie emotional ist dieses Thema?

Barbara Laa: Von mehr Platz für Menschen profitieren letztendlich alle. Leider wird es schnell emotional wenn jene, die auf das Auto angewiesen sind, das Gefühl bekommen, dass ihnen diese Option genommen wird. Es geht aber darum, Alternativen zu schaffen damit mehr Menschen zu Fuß, mit dem Fahrrad und dem öffentlichen Verkehr unterwegs sein können und eine höhere Lebensqualität zu schaffen - mit mehr Begrünung und Aufenthaltsflächen im öffentlichen Raum. Wenn jene umsteigen, die Alternativen haben, gibt es auch bessere Bedingungen für jene, die auf das Auto im Alltag angewiesen sind.

Was bedeutet "autofreie" Stadt überhaupt?
Das kann natürlich unterschiedlich interpretiert werden. Im Normalfall versteht man darunter eine Minimierung des Kfz-Verkehrs, möglichst wenig Parkplätze im öffentlichen Raum und Zufahrtsbeschränkungen. Gänzlich ohne Autos sind auch solche Städte nicht, jedoch gibt es starke Beschränkungen wer mit einem Pkw oder Lieferfahrzeug zufahren darf und zu welchen Zeiten.

Wie viel an öffentlichen Platz bekommen Autos derzeit in Wien? Wie hat sich das über die letzten Jahrzehnte entwickelt?
Leider gibt es dazu keine verlässliche Datenquelle. Der Anteil von Fahrbahnen und Parkplätzen an Verkehrsflächen in Wien beträgt etwa 67%, Radwege hingegen machen nur ca. 1% aus. Mit Einführung der flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung wurden vereinzelt Parkplätze in andere Flächen umgewandelt, auch mehr Radwege in den letzten Jahren gebaut. Ich kenne aber bisher keine genauen Daten zur Entwicklung.
 

Was ist in Wien für die kommenden Jahre geplant, welche Projekte laufen bereits?

Die Umgestaltung von Straßen in Richtung Mobilitätswende und Klimawandelanpassung hat in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen. Seit 2020 gibt es eine große Radwegoffensive, im Zuge dessen zum Beispiel die Praterstraße einen neuen Radweg bekommen hat, Verbesserungen in der Donaustadt umgesetzt wurden und viele weitere Projekte geplant sind. In Favoriten entsteht zurzeit das erste Supergrätzl, das großflächige Kfz-Verkehrsberuhigung schafft und dem hoffentlich viele weitere folgen werden. Als weitere große Projekte sind auch die äußere Mariahilferstraße und die Wiedner Hauptstraße zu nennen, bei denen die anfallenden Gleisbauarbeiten dazu genutzt wurden Umgestaltungen durchzuführen. Für einige Projekte sind die Bezirke verantwortlich, hier sind manche Vorreiter wie etwa der 7. Bezirk, der im Nachgang zur Mariahilferstraße einige Straßen umgestaltet hat, etwa die Neubaugasse, Zollergasse und zuletzt die Bernardgasse. Spannend wird auch wie mit jenen Straßen umgegangen wird, die derzeit aufgrund des U-Bahnbaus eingeschränkt sind, also beispielsweise die Zweierlinie und die Pilgramgasse. 

 Wer profitiert von weniger Autoverkehr in der Stadt, wer nicht? Was sind Vor-und Nachteile?
Alle Menschen in der Stadt profitieren von weniger Lärm, besserer Luft, weniger Unfällen und einer kühleren Stadt durch mehr Bäume und Begrünung und weniger versiegelten Flächen, also Asphalt und Beton. Jene die zu Fuß und mit dem Fahrrad oder auch mit den Öffis unterwegs sind finden mit weniger Autoverkehr natürlich bessere Bedingungen vor um sich fortzubewegen. Mit einer klugen Planung gibt es jedoch noch genügend Ladezonen, Parkplätze und Fahrbahnen für Lieferverkehre und private Pkw von mobilitätseingeschränkten Personen. Klarerweise muss es aber auch Umstellungen geben, neue Lösungen gefunden werden wie z.B. Gewerbetreibende auf Lastenräder statt Pkw umsteigen können.
 

Paris tut derzeit viel, um Autos weniger Platz zuzuweisen: Was kann man davon lernen?

Paris ist beeindruckend in der Geschwindigkeit, in der die Veränderung umgesetzt wird und dem Mut, den die Bürgermeisterin dabei an den Tag legt. So wurden vor allen Schulen autofreie Schulstraßen umgesetzt, die jetzt neu gestaltet werden. Das Radwegenetz wurde bereits vor der COVID-19 Pandemie stark ausgebaut, das hat sich dann durch die Einrichtung von temporären Radwegen nochmals beschleunigt. An den breiten Boulevards wurden Fahrspuren für Radfahrende mittels temporären Maßnahmen umgewidmet, diese werden jetzt nach und nach langfristig umgebaut. Vielbefahrene Straßen an der Seine und in der Stadt wurden für private Pkw gesperrt. 

In Wien ist die Mariahilfer Straße seit 2015 autofrei. Was für Lehren zieht man daraus?
Bei der Mariahilferstraße hat man auf einem Abschnitt eine Fußgängerzone und in einem anderen Bereich eine Begegnungszone umgesetzt. Das heißt, Autos können einen Teil immer noch befahren und der Lieferverkehr ist ohnehin noch möglich. Heute gilt sie als großer Erfolg, vor der Umsetzung gab es aber hitzige Diskussionen und viel Kritik an den Plänen. Letztendlich hat sich eine knappe Mehrheit der Anrainer:innen dafür ausgesprochen. Ein paar Monate später war die Zustimmung jedoch bereits bei über 70% und würde man heute fragen würden wohl die wenigsten den alten Zustand wieder herstellen wollen. Verkehrszählungen haben außerdem gezeigt, dass sich nach dem Umbau der Kfz-Verkehr im Umfeld insgesamt reduziert hat. Daraus kann man lernen, dass es mutige Schritte braucht, etwas zu verändern, die Zustimmung danach höher ist und sich der Autoverkehr nicht 1:1 in umliegende Straßen verlagert..

Geschäftsleute beklagen derzeit die Umbaumaßnahmen in der Nisselgasse. 2023 wurde die Gasse umgestaltet, seither fehle es an Ladezonen und der Umsatz breche ein. Wie geht man mit solchen Herausfordungen um?
Es ist natürlich wichtig gewisse Bedarfe zu berücksichtigen wie beispielsweise Ladezonen. Dazu sollte vor der Umgestaltung in Beteiligungsprozessen erhoben werden, welche Bedarfe es gibt. Bezüglich Umsätze zeigt sich jedoch in den meisten Fällen, dass eine Kfz-Verkehrsberuhigung sich positiv auswirkt. Untersuchungen zeigen, dass Geschäftsleute oft überschätzen wie viele Personen mit dem Pkw zum Einkaufen kommen. Auch die Wirtschaftskammer Wien hat beispielsweise ihre Meinung zu Begegnungszonen geändert, nachdem eine Studie zur Mariahilferstraße die positive Wirkung gezeigt hat. Zusätzlich gibt es hier ja auch andere Dynamiken wie beispielsweise den Onlinehandel, der auch Auswirkungen auf lokale Geschäfte hat.

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