Jaguar Land Rover: Produktion steht weiter still - was jetzt helfen soll

Der Land Rover Defender 130.
Nach dem Hackerangriff stehen die Werke von Jaguar und Land Rover weiterhin still. Nun erhält der Konzern Hilfe.

Zusammenfassung

  • Ein Cyberangriff hat Jaguar Land Rover lahmgelegt, die Produktion gestoppt und zehntausende Fahrzeuge blockiert.
  • Lieferketten und Händler sind massiv betroffen, der finanzielle Schaden wird auf mehrere Millionen Euro pro Tag geschätzt.
  • Das Unternehmen arbeitet mit IT-Spezialisten an der Wiederherstellung, während die Branche die Bedeutung von IT-Sicherheit neu bewertet.

Update vom 30.09.2025:

Jaguar Land Rover (JLR) hat nach dem schweren Cyberangriff, der die Produktion weltweit zum Erliegen brachte, nun einen finanziellen Rettungsschirm erhalten. Die britische Regierung unter Wirtschaftsminister Peter Kyle stellte dem Unternehmen eine Kreditgarantie in Höhe von 1,5 Milliarden Pfund (rund 1,7 Mia. Euro) zur Verfügung, um die Lieferkette zu stabilisieren und insbesondere kleinere Zulieferer zu unterstützen. 

Zusätzlich sicherte sich JLR ein separates Notfalldarlehen von 2 Milliarden Pfund von internationalen Banken, darunter Standard Chartered, Citigroup und Mitsubishi UFJ Financial Group, berichtet die BBC. Kyle nahm zu den Attacken Stellung: "Der Cyberangriff war nicht nur ein Angriff auf eine ikonische britische Marke, sondern auch auf unseren weltweit führenden Automobilsektor und auf die Frauen und Männer, deren Lebensunterhalt davon abhängt". 

Laut JLR könnten weitere Maßnahmen nötig werden: "Es könnte sein, dass andere Instrumente benötigt werden, etwa wie ein Covid-ähnlicher Kredit für einige Zulieferer zum Beispiel", erklärte Liam Byrne, Abgeordneter für Birmingham Hodge Hill und Solihull North. Gleichzeitig betonte er, dass zuerst sichergestellt werden müsse, dass das aktuelle Kreditpaket effektiv eingesetzt werde.

Teurer Produktionsstopp

Der Angriff, der die IT-Systeme und Produktionsstätten in Großbritannien, Indien, Brasilien und der Slowakei zum Stillstand brachte, führte zu einem Produktionsstopp von nahezu einem Monat, der nach wie vor anhält. Experten schätzen die finanziellen Verluste auf bis zu 1,7 Milliarden Pfund an entgangenem Umsatz. Viele Zulieferer, insbesondere kleinere Unternehmen, berichteten von Liquiditätsengpässen und Entlassungen von Zeitarbeitern, berichtet die BBC weiter.

JLR plant nun, die Produktion ab dem 1. Oktober schrittweise wieder aufzunehmen, beginnend mit dem Motorenwerk in Wolverhampton. Die vollständige Wiederherstellung der Produktionskapazitäten wird jedoch voraussichtlich noch Wochen in Anspruch nehmen. Das Unternehmen arbeite nach wie vor eng mit Cybersicherheitsexperten, Strafverfolgungsbehörden und dem National Cyber Security Centre zusammen, um die Systeme sicher wieder in Betrieb zu nehmen, heißt es von Unternehmensseite.

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Ende August wurde Jaguar Land Rover, die britische Tochter des indischen Tata-Konzerns, Opfer eines groß angelegten Cyberangriffs. In der Folge mussten zentrale IT-Systeme abgeschaltet werden: von Produktionssteuerungen über Händlerprozesse bis hin zu Logistikabläufen. Der Konzern sprach dabei von einer notwendigen Vorsichtsmaßnahme, um weitere Schäden einzudämmen. Seit dem 1. September stehen die Bänder in allen Werken still, weltweit ruht die Fertigung.

"Volle Transparenz"

Für Verunsicherung sorgten zuletzt Medienberichte, wonach rund 40.000 bereits produzierte Fahrzeuge nicht an Kunden ausgeliefert werden könnten und ihr Verbleib unklar sei. Jaguar Land Rover widersprach dem in einer Presseaussendung: Man habe jederzeit "volle Transparenz" über die Fahrzeuge, von der Fabrik bis zum Markt. Trackingprozesse seien aktiv, sodass Medienberichte über "verlorene Autos" nicht der Wahrheit entsprächen.

Finanzielle Folgen

Während Produktion und Auslieferung stocken, melden Händler verzögerte Ersatzteillieferungen und Einschränkungen bei Serviceanfragen. Branchenkreise schätzen die Kosten für Jaguar Land Rover auf bis zu 5 Millionen Pfund pro Tag abhängig vom Umfang des Stillstands und den betroffenen Werken, berichtet das Portal Motor1.com.

Jaguar Land Rover hat sich in einem Fragenkatalog auf der eigenen Website direkt an Kunden und Partner gewandt. Man arbeite mit forensischen IT-Spezialisten zusammen, um die Ursache des Angriffs zu klären und die Systeme schrittweise wieder hochzufahren. Bisher gebe es keine Hinweise darauf, dass Kundendaten abgeflossen seien. Händlerbetriebe bleiben geöffnet, doch viele Prozesse funktionieren nur eingeschränkt. Die Kernbotschaft lautet: Es wird daran gearbeitet, den Betrieb so schnell wie möglich wiederherzustellen.

Stellungnahme von Jaguar Land Rover zu einer Cyberattacke.

Die Stellungnahme von Jaguar und Land Rover zur Cyberattacke.

Wer steckt dahinter?

Nach Angaben von Jaguar Land Rover wurden interne IT-Systeme beeinträchtigt. Das Unternehmen bestätigte, dass einige Daten betroffen sein könnten und dass zuständige Aufsichtsbehörden informiert wurden. Ein Medienbericht des Mazins Techzine Global legt nahe, dass Screenshots aus einem internen System veröffentlicht wurden, was auf einen Zugriff auf sensible Daten hindeute.

Die Hackergruppe „Scattered Lapsus$ Hunters“ hat sich öffentlich zu dem Angriff bekannt. Diese Gruppierung ist bereits aus anderen Fällen im Industrie- und Technologiesektor bekannt und gilt als hochprofessionell organisiert. Ob eine konkrete Sicherheitslücke als Einfallstor diente, ist derzeit jedoch nicht bestätigt.

Jaguar Land Rover reiht sich damit in eine wachsende Liste von Unternehmen ein, die Opfer von Cyberattacken geworden sind. Erst vor Kurzem hatte ein Angriff auf den US-Softwareanbieter CDK Global tausende Autohändler in Nordamerika lahmgelegt. Auch Kia war im vergangenen Jahr Ziel von Angriffen auf seine vernetzten Fahrzeuge. Fehler im Webportal des koreanischen Autoherstellers ermöglichten es Hackern, Funktionen von Modellen der Marke per App fernzusteuern. Hacker konnten die Fahrzeuge orten, starten, die Türen öffnen und Hupen betätigen.

Der US-Amerikanische Sicherheitsforscher Sam Curry hat in den vergangenen Jahren wiederholt Sicherheitslücken bei Fahrzeugherstellern aufgedeckt, berichtet der Spiegel. Anfang 2023 veröffentlichte Curry ein Papier, in dem er erklärte, wie er monatelang Schwachstellen bei BMW, Rolls-Royce, Porsche, Ferrari, Toyota, Hyundai, Honda, Nissan, Jaguar, Land Rover und Ford gefunden hatte. "Je mehr wir uns mit diesem Thema befasst haben, desto deutlicher wurde, dass die Internetsicherheit für Fahrzeuge sehr schlecht ist", so der damals ebenfalls beteiligte Experte Neiko Rivera gegenüber dem Magazin "Wired".

Ein Angriff im falschen Moment

Der Cyberangriff kommt in einer Phase des Umbruchs für Jaguar Land Rover. Der Hersteller hatte bereits angekündigt, zahlreiche ältere Modelle auslaufen zu lassen, um Platz für eine neue Generation unter dem Flaggschiff Type 00 zu schaffen. Zudem haben sich mehrere Elektroprojekte von Land Rover verzögert: Der ursprünglich für Ende 2025 geplante Range Rover Electric soll nun erst 2026 starten, auch Modelle wie der Range Rover Velar Electric wurden laut Medienberichten auf 2026 verschoben. Noch ist unklar, wann sämtliche Werke wieder hochfahren können, oder ob bestehende Pläne zur Einführung neuer Modelle aufgrund des Produktionsstopps weiter verschoben werden müssen.

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