Werkstatt-Kosten: Warum das Auto-Service immer teurer wird
Moderne Fahrzeuge gleichen immer stärker rollenden Computersystemen: Kameras, Radar und zunehmend auch Lidar überwachen die Umgebung permanent. Theoretisch, um den Fahrer zu entlasten und die Sicherheit zu erhöhen. In der Praxis werden Fahrerassistenzsysteme jedoch zunehmend zum Prüfstein für Werkstätten, Prüforganisationen und Fahrzeughalter. Denn ihre filigrane Technik hat Folgen: Fallen Sensoren schon bei kleineren Karosseriearbeiten aus der Spur oder interpretieren Verkehrszeichen falsch, wird aus dem elektronischen Helfer schnell ein Unsicherheitsfaktor.
Wenn Sensoren die Welt etwas anders sehen
Dass Assistenzsysteme gelegentlich übervorsichtig agieren oder Situationen anders bewerten, ist für viele Besitzer neuer Modelle ein vertrautes Phänomen. Dazu gehört beispielsweise das fälschliche Lesen von Tempo-Schildern: Entlang von Baustellenabschnitten oder im dichten Stadtraum mit Schilderwäldern reicht eine ungünstige Perspektive der Kamera, um ein Zusatzschild als neue Geschwindigkeitsvorgabe misszuverstehen. Ähnlich problematisch sind temporäre Markierungen, etwa auf Autobahnbaustellen: Der Spurhalteassistent versucht, sich an provisorischen gelben Linien zu orientieren, erkennt sie aber nicht immer korrekt. Das führt zu ruckartigen Lenkimpulsen. Immer wieder kommt es auch zu unerwarteten Notbremsmanövern, weil das System einen Radfahrer oder Fußgänger auf dem nebenliegenden Fahrbahnstreifen als direktes Hindernis bewertet.
Derartige Situationen hängen häufig mit der Kalibrierung zusammen. Nach einem Windschutzscheibentausch, einer Fahrwerksreparatur oder selbst nach kleineren Karosseriearbeiten müssen Kameras und Sensoren neu eingestellt werden. Weichen sie nur wenige Millimeter vom Sollwert ab, verschiebt sich die virtuelle Wahrnehmung und die Reaktion des Systems, erklärt der ÖAMTC.
Die Kosten von Kalibrierungssystemen wie dem CSC-Tool PRO von Hella Gutmann reichen bis in den fünfstelligen Bereich.
Neue Investitionen
Für Kfz-Betriebe bedeutet der technologische Wandel nicht nur eine Erweiterung des Aufgabengebiets, sondern einen deutlichen Mehraufwand mit zusätzlichen Investitionen. Spezielle Kalibriersysteme (wie das ADAS-Kalibrierset PRO von Hella Gutmann für 15.230 Euro) kosten mehrere tausend Euro, dazu gesellen sich Achsmessanlagen, Softwareupdates und herstellerspezifische Anforderungen. Hinzu kommt auch der Zeitfaktor: Eine sorgfältige Kalibrierung dauert oft ein bis drei Stunden, manchmal länger, wenn zusätzliche Vermessungen oder Testfahrten notwendig sind, berichtet der ÖAMTC. Dieser Aufwand lässt sich im Werkstattalltag schwer flexibilisieren – besonders für kleinere Betriebe, die meist mit geringeren Kapazitäten arbeiten.
Die Konsequenz: Laufende Aus- und Weiterbildung wird unverzichtbar. Die Bundesinnung der Fahrzeugtechnik weist darauf hin, dass die Qualifikation der Mitarbeiter zur Kernfrage für die Zukunftsfähigkeit der Werkstätten wird. Gleichzeitig warnt sie davor, dass das erforderliche technische Know-How schneller wächst, als viele Betriebe sich darauf einstellen können.
Andrej Prosenc, Techniker beim ÖAMTC, warnt in diesem Zusammenhang vor den steigenden Anforderungen: "Die elektronischen Hilfen arbeiten mit einer Vielzahl von Sensoren, deren Lage und Ausrichtung exakt justiert sein müssen." Er betont, dass eine neue Kalibrierung "nach modernsten und genauesten Standards sowie von eigens geschulten Technikern durchgeführt werden muss", womit sich der personelle Aufwand für die Prüforganisationen weiter erhöhe.
Nicht mehr nur der Motor, sondern die Sensoren stellen Werkstätten heute vor die größten Herausforderungen.
Steigende Anforderungen, längere Wartezeiten
Die Reform des EU-"Roadworthiness Package" (eine Sammlung von EU-Richtlinien, die darauf abzielt, Sicherheit und Umweltschutz von Fahrzeugen durch strengere und modernere Prüfungen zu verbessern) wird in Österreich von der Bundesinnung aufmerksam verfolgt. Letztere spricht von einer deutlichen Mehrbelastung für Prüfbetriebe und Werkstätten, falls künftig mehr elektronische Systeme verpflichtend im Rahmen der Fahrzeugüberprüfung getestet werden müssen. Wenn die Prüfdauer steigt und technische Anforderungen komplexer werden, könnten insgesamt weniger Fahrzeuge pro Tag geprüft werden. Das wiederum berge die Gefahr längerer Warte- und Durchlaufzeiten sowie potenziell steigender Preise, warnt die Innung.
Der stellvertretende Bundesinnungsmeister Thomas Marichhofer betont, dass die Branche aktiv in den europäischen Gesetzgebungsprozess eingreift. Insgesamt 163 rechtlich und technisch fundierte Abänderungsanträge wurden erarbeitet und an das EU-Parlament übermittelt. Die Innung sieht es laut Marichhofer als notwendig an, "internationale Partner zu sensibilisieren", damit die Prüfanforderungen nicht realitätsfern gestaltet werden und praktisch umsetzbar bleiben. Die Kernforderung ist klar: Die Begutachtung müsse leistbar, praktikabel und technisch beherrschbar bleiben. Der ursprüngliche Geist des Erwägungsgrunds der EU-Richtlinie – dass die Überprüfung von in Verkehr befindlichen Fahrzeugen einfach, schnell und kostengünstig gehen muss – dürfe nicht verloren gehen.
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