Pickerl-Intervalle fürs Auto verlängern: Warum es dafür (fragliche) Kritik hagelt

Eine Hand klebt eine österreichische Prüfplakette an eine Windschutzscheibe.
Neue Pläne für die Pickerl-Intervalle sorgen für Aufsehen – Experten und Branchenvertreter reagieren kritisch.

Die österreichische Bundesregierung hat unter Staatssekretär Schellhorn ein umfassendes Entbürokratisierungspaket präsentiert. Eines der am stärksten beachteten Elemente betrifft die Begutachtungsintervalle für das Pickerl. Künftig soll das bisherige 3‑2‑1‑System (Erstprüfung nach drei Jahren, danach zwei Jahre, später jährlich) durch ein 4‑2‑2‑2‑1‑System ersetzt werden. Demnach müssten Neufahrzeuge erst nach vier Jahren erstmals zur Pickerl‑Überprüfung, anschließend alle zwei Jahre. Erst ab dem zehnten Jahr sollen jährliche Prüfungen anstehen.

Laut der Regierung zielt der Schritt auf eine spürbare Entlastung für Autofahrer ab. Im Ministerratsvortrag heißt es, die geplanten Änderungen würden "eine erhebliche Erleichterung für die Bürger bringen und eine spürbare Entbürokratisierung für alle Autofahrer liefern". Jedoch gibt es sowohl von Werkstätten als auch von Interessenvertretungen und Automobilclubs erheblichen Widerstand.

Kritik von offizieller Seite

Branchenvertreter warnen vor Sicherheitsrisiken und wirtschaftlichen Nachteilen. Der Bund der österreichischen Wirtschaft WKO, vertreten durch Andreas Westermeyer, sieht eine Verlängerung der Prüfintervalle im Standard als "ernsthaftes Problem". Gerade in bergigen Regionen mit hohem Verschleiß für Autos, wie den Alpen, könne das unterlassene frühzeitige Erkennen von Mängeln auf lange Sicht zu einer Zunahme von Unfällen und Verkehrstoten führen: "Wir haben die Alpen, deswegen ist der Verschleiß und die Abnutzung bei den Autos insgesamt höher als beispielsweise in Deutschland."

Ähnlich äußert sich der ÖAMTC. Konkret warnt Andrej Prosenc, Leiter des Technik‑Kompetenzzentrums, auf Nachfrage des KURIER vor der allgemein steigenden Gefährdung der Verkehrssicherheit und weist zusätzlich darauf hin, dass "Prüfstellen bei jeder Begutachtung für festgestellte Mängel haften". Längere Intervalle könnten zudem dazu führen, dass Werkstätten künftig andere Leistungen teurer verrechnen müssten, um die trotzdem gleich bleibenden Betriebskosten für Maschinen und Prüfgeräte zu decken. Ein weiterer Kritikpunkt: Für die Werkstätten und Automobilclubs bedeutet weniger Prüfintervalle auch deutlich weniger Einnahmen. Der Durchschnittspreis pro Prüfung liegt derzeit laut der Arbeiterkammer Wien bei rund 92 Euro, der jährliche Umsatz aus den Begutachtungen unter Paragraph 57a beläuft sich indes auf mehrere Millionen Euro.

Internationaler Vergleich

Trotz ablehnender Stimmen wurde der Vorschlag von Schellhorn, Verkehrsminister und Wirtschaftsministerium im Ministerrat eingebracht und diskutiert. Die Reform gilt als eines der Kernstücke des neuen Regierungs‑Entbürokratisierungspakets, das insgesamt 113 Maßnahmen umfasst. Die Regierung argumentiert, dass Österreich im Vergleich mit vielen EU‑Nachbarländern mit sehr engmaschigen Pickerl‑Intervallen eine Ausnahme darstellt und eine Anpassung daher überfällig sei. Ein Überblick:

  • Deutschland: Pkw müssen nach der Erstzulassung drei Jahre lang warten und danach alle zwei Jahre zur Hauptuntersuchung.
  • Schweiz: Erstmalige Prüfung nach fünf Jahren, danach alle drei Jahre. Ältere Fahrzeuge ab einem Alter von fünf Jahren müssen alle zwei Jahre zur Prüfung.
  • Finnland: Pkw müssen nach vier Jahren erstmals zur technischen Untersuchung, danach alle zwei Jahre bis das Fahrzeug zehn Jahre alt ist. Nach zehn Jahren erfolgt die Prüfung jährlich.
  • Frankreich: Die Prüfung erfolgt erstmals nach vier Jahren und nachfolgend alle zwei Jahre.
  • Irland: Der "National Car Test" erfolgt nach vier Jahren nach der Erstzulassung und anschließend alle zwei Jahre. Fahrzeuge, die zehn Jahre oder älter sind, müssen jährlich zum Test.
  • Italien: Für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen ist die technische Prüfung erstmals nach vier Jahren und dann alle zwei Jahre fällig.
  • Niederlande: Die "Algemene Periodieke Keuring" erfolgt erstmals nach drei Jahren und nachfolgend jährlich. Mit einer Erstzulassung ab 2008 erfolgt eine Prüfung erst nach vier Jahren und nachfolgend alle zwei Jahre. Ab einem Fahrzeugalter von acht Jahren muss das Auto jährlich geprüft werden.
  • Norwegen: Autos sind das erste Mal vier Jahre nach der Erstzulassung, danach jedes zweite Jahr zu untersuchen.
  • Schweden: Pkw müssen nach drei Jahren zur Kontrollbesichtigung, danach alle zwölf Monate.
  • Spanien: Üblich ist eine erste Prüfung nach vier Jahren, danach alle zwei Jahre sowie jährlich bei Fahrzeugen, die älter als zehn Jahre sind.

Kommentare