2G-Abschaltung: Verlieren Millionen Fahrzeuge bald ihren Notruf?

Ein Finger drückt den SOS-Knopf in einem Auto.
Durch die international voranschreitende Abschaltung des 2G-Netzes droht Millionen Autos der Ausfall des Notrufsystems "eCall". Gibt es Ersatz?

Zusammenfassung

  • Durch die Abschaltung des 2G-Mobilfunknetzes droht Millionen Fahrzeugen der Ausfall des automatischen Notrufsystems eCall.
  • Ab 2026 nützen neue Fahrzeugmodelle die 4G- und 5G-Netze.
  • Was können betroffene Fahrzeughalter tun? 

Seit dem 31. März 2018 ist in der EU vorgeschrieben, dass alle neu zugelassenen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mit dem automatischen Notrufsystem eCall ausgerüstet sein müssen. Das System aktiviert sich automatisch bei einem schweren Unfall, zum Beispiel wenn Airbags ausgelöst werden, und löst einen Notruf an die europaweite Notrufnummer 112 aus. Dabei werden Standortdaten, Richtung und Fahrzeugkennung übermittelt, und eine Sprachverbindung zur nächstgelegenen Rettungsleitstelle aufgebaut. Zusätzlich kann der Notruf manuell über einen "SOS"-Knopf im Fahrzeug ausgelöst werden, etwa in medizinischen Notfällen.

Neue Sicherheitslücke

Viele dieser Systeme nutzen noch das 2G-Mobilfunknetz, das aber in den kommenden Jahren abgeschaltet wird. Damit droht ein Ausfall des automatischen Notrufs bei Millionen Fahrzeugen, die ausschließlich über dieses Netz kommunizieren. In Deutschland kündigten die Netzbetreiber Telekom und Vodafone an, 2G spätestens zwischen 2028 und 2030 zu deaktivieren. Der deutsche TÜV schätzt, dass rund 5,5 Millionen Fahrzeuge, vor allem im Klein- und Mittelklassesegment, betroffen sein könnten.

Mehrere Hersteller warnen inzwischen selbst vor den Folgen der 2G-Abschaltung. Volkswagen, Volvo und Mazda informieren ihre Kunden auf ihren Webseiten darüber, welche Modelle betroffen sind und welche Einschränkungen bei Konnektivitäts- und Notrufdiensten entstehen können. Darunter befinden sich auch Modelle, die erst seit wenigen Jahren auf dem Markt sind, wie etwa die erste Generation des Skoda Enyaq.

Die Bedienelemente für das Autoinnenlicht und einen SOS-Knopf in einem Fahrzeug.

Der SOS-eCall-Knopf befindet sich für gewöhnlich bei den Innenlicht-Bedienelementen oberhalb des Rückspiegels.

Schleichendes Aus

In mehreren europäischen Ländern laufen die Vorbereitungen oder die Abschaltung bereits. In der Schweiz wurde das 2G-Netz bereits Anfang 2023 vollständig deaktiviert, in Frankreich soll das Netz bis Ende 2026 folgen, in Norwegen ab 2026, in Schweden bis Ende 2027 und in den Niederlanden ebenfalls bis 2027. In Belgien und der Slowakei ist die Abschaltung bis Ende 2030 vorgesehen, während das Vereinigte Königreich den Ausstieg bis spätestens 2033 plant.

In Österreich ist derzeit noch keine offizielle Abschaltung des 2G-Netzes geplant. Laut der Regulierungsbehörde RTR wird das GSM-Netz wegen seiner Bedeutung für Sprachtelefonie und einfache IoT-Anwendungen (z.B. vernetzte Beleuchtungssysteme, Echtzeit-Verfolgung von Waren in der Logistik) weiterhin betrieben. Der Anbieter Magenta Telekom gab an, 2G zumindest bis 2030 aufrechterhalten zu wollen, während A1 und Drei bislang kein Abschaltdatum genannt haben.

Neuer Standard ab 2026

Die EU-Verordnung schreibt vor, dass ab dem 1. Jänner 2026 alle neu typisierten Fahrzeugmodelle und ab dem 1. Jänner 2027 alle neu zugelassenen Fahrzeuge mit dem sogenannten Next Generation eCall (NG eCall) ausgerüstet sein müssen. Dieses System nutzt 4G- und 5G-Netze und soll neben den klassischen Standortdaten künftig auch zusätzliche Informationen wie Fahrzeuginnenraum-, und Unfallerkennung oder Telemetriedaten an die Rettungsleitstellen übermitteln.

Was Betroffene tun können

Das Vorhandensein einer nicht funktionierenden 2G-Notrufeinrichtung ist bei der Hauptuntersuchung zwar kein relevantes Thema, diese sollte bei Möglichkeit jedoch mit Alternativen ersetzt werden, empfiehlt der Automobilclub. In diesem Bereich sind laut dem Bundesministerium für Inneres (Referat Onlinesicherheit) entweder Unfallmeldestecker für den Stromanschluss (mit kostenpflichtigem Notruf, der zunächst an den Hersteller weitergeleitet wird) in der Mittelkonsole oder (teils serienmäßig installierte) Apps zu empfehlen, die auf dem Smartphone oder der Smartwatch Unfälle erkennen und automatisch Rettungsdienste benachrichtigen.

Das eigene Fahrzeugmodell lässt sich auf das Vorhandensein eines 2G-eCall-Systems über das Fahrzeugheft oder die Zulassungsbescheinigung, in dem Baujahr und das exakte Produktionsdatum vermerkt sind, überprüfen. Die Faustregel: Fahrzeuge, die am oder kurz nach dem 31. März 2018 produziert und zugelassen wurden, verfügen mit Sicherheit über 2G-eCall. Bei Autos, die vor diesem Datum produziert wurden, sollten Betroffene prüfen, ob der Hersteller eventuell ein älteres, eigenes Notrufmodul verbaut hat. Eine Werkstatt oder Servicepartner sollen das System zudem über Diagnosetools auslesen und bestätigen können, ob es ausschließlich auf 2G basiert.

Diverse Autohersteller geben zudem (etwa über die We-Connect-App von Volkswagen, das Kommunikationsmenü bei Volvo oder die MyMazda-App) Hinweise zu Bordcomputer-Menüs, die den eCall-Status und die Netzkompatibilität anzeigen können.

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