Harley-Davidson Fat Bob: Falls sich doch einmal Zombies erheben
Harley wird mitunter vorgeworfen, das Design seiner Modelle zu behutsam, zu vorsichtig weiterzuentwickeln. Das mag auf manche Motorräder zutreffen, aber ganz sicher nicht auf die neue Fat Bob. Die Neuauflage dieses mittlerweile zum Klassiker gereiften Bikes zählt zu den auffälligsten Erscheinungen des gesamten 2018er-Zweirad-Jahrgangs und lässt jegliche Zurückhaltung vermissen. Vom monumentalen 150er-Vorderreifen über den LED-Scheinwerfer im Cinemascope-Format, vom extrabreiten Lenker bis hin zu einem geradezu furchterregend zerklüfteten Heck reicht das Spektrum dieses Design-Experiments, das in seiner Brutalität an die US-Musclecars der Siebziger erinnert.
Bei so nachdrücklich zur Schau gestellter Potenz und der Feinsinnigkeit eines Bodybuilders stellt sich freilich die Frage: Bleibt es bei der Show? Oder fährt sich das Motorrad enstprechend seines Auftritts?
Die Antwort ist durchaus erfreulich, denn die Fat Bob ist alles andere als eine Mogelpackung. Im Gegenteil: Sie kann als fahraktivste Harley gelten, die je mit Straßenzulassung die Werkshallen in Milwaukee verlassen hat.
Neue Softail-Plattform
Diesen Fortschritt verdankt sie vornehmlich der neuen Plattform. Bisher ein Dyna-Modell wurde sie 2018 in die Softail-Familie integriert. Und jene bekam einen neuen Rahmen und moderne Federelemente.
Im Vergleich zur bisherigen Fat Bob verfügt das neue Modell daher über eine wesentlich steifere, gleichzeitig leichtere Grundkonstruktion. Mit Mono shock-Federbein am Heck und einer 43er-Upside-down-Gabel an der Front finden sich zeitgemäße Komponenten, die auch moderne Naked Bikes zieren. Zusätzlich erhält die Fat Bob als sportlicher Außenposten der Familie zwei mächtige Bremsscheiben vorne.
Befeuert wird die Fat Bob natürlich wie alle anderen Softails des neuen Jahrgangs von der jüngsten Generation des Harley-Big-Twin, dem Milwaukee-8. Der luftgekühlte Vierventiler lässt sich mit 107 Cubic-inch, also 1745 Kubikzentimeter (87 PS, 145 Nm) ordern – oder gegen Aufpreis mit der 114er-Version, (1868 Kubikzentimeter, 94 PS, 155 Nm). Die Preise: 21.095 respektive 23.145 Euro.
Im ersten Test konnten wir die stärkere Version fahren, die durch feine Geschmeidigkeit schon knapp über Standgas und handfestem Punch ab etwa 2500 Umdrehungen geprägt ist. Mit dem Milwaukee-8 gelingt somit das Kunststück, einerseits feine Manieren zu bieten, andererseits doch die typischen Charakterzüge eines luftgekühlten Harley-V2 beizubehalten: das raubeinige Schütteln an Stand, den guten Sound und nicht zuletzt die hinreißende Optik mit feinen Kühlrippen und schönen Abdeckungen.
Beim Fahren gefällt zunächst die ideale Sitzposition: Entspannt, aber doch in aktiver Rolle eingepflanzt mitten im Geschehen. Das neue Rundinstrument am Tank setzt den analogen Drehzahlmesser prominent in Szene, alle anderen Daten werden digital eingespielt.
Stabilität bei Speed
Das Fahren selbst ist mehr als lustvoll: Trotz der mächtigen Reifendimensionen lenkt die Fat Bob behände in die Kurven und bleibt – großer Unterschied zum bisherigen Modell – auch bei Unebenheiten, die man in Schräglage überfährt, bei Wechselkurven oder bei Lastwechseln unbeirrbar stabil.
Stoisch quittiert die Fat Bob auch harte Bremsmanöver am Rande des Machbaren, wobei man beim Bremsweg natürlich einrechnen muss, dass hier trotz 15 Kilo Gewichtsverlust keine Ballett-Eleve unterwegs ist: Vollgetankt sind hier noch immer 306 Kilo unterwegs.
Als Dynamik-Experte unter den Softails wurde die Fat Bob auch mit der größten Schräglagenfreiheit ausgestattet, wofür man dankbar sein kann: Man wird sie rasch ausnützen.
Unser Resümee: Die Fat Bob ist kein Freund der leisen Töne. Mit dem auffälligsten Design seit Jahren tritt Harley selbstbewusst in Konkurrenz mit sportlichen Big Bikes und Macho-Streetfightern vom Schlag einer XDiavel. Auch wenn das Gewicht weiterhin beträchtlich ist und die Leistungswerte in der laufenden Eskalationspolitik eher überschaubar bleiben, so gelingen der Fat Bob doch einige Überraschungserfolge: eine im Harley-Universum bislang unbekannte Dynamik, gepaart mit entsprechendem Fahrspaß und einem Auftritt, den gewiss niemand übersieht.
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