BMW F 900 R/XR: Gesunde Expansion
Die brandneuen F-900-Modelle werten das bislang recht stiefmütterlich behandelte Mittelklasse-Portfolio von BMW Motorrad drastisch auf. Mit der F 900 R bekommt der altbewährte Roadster F 800 R nach mehr als einem Jahrzehnt endlich einen runderneuerten Nachfolger in zeitgemäßem Design. Außerdem erweitert das neue Adventure-Sport-Bike F 900 XR kommende Saison erstmals die Produktpalette. Es soll das Erfolgsrezept der seit 2015 im Premiumsegment erhältlichen S 1000 XR nun in die preissensible Mittelklasse transferieren.
Jedes Modell bedient also ein eigenes Segment, dennoch überwiegen bei F 900 R und XR die technischen Gemeinsamkeiten. Der bei Loncin in China produzierte Paralleltwin mit 90 Grad Hubzapfenversatz stammt ursprünglich aus der Reiseenduro F 850 GS und wurde in puncto Bohrung von 853 auf 895 Kubik erweitert. Daraus resultieren 105 PS Spitzenleistung und 92 Newtonmeter maximales Drehmoment, außerdem wird von BMW eine A2-taugliche Version mit ungedrosselt 95 PS offeriert.
Obwohl beide Fahrzeuge bauartbedingt jeglichem Geländeabstecher rigoros abschwören, blieben Schwungmasse und Getriebeabstufung im Vergleich zum GS-Modell unverändert.
Mehr Saft und Kraft
Bei mittleren Drehzahlen fühlen sich die F-900-Modelle spürbar am wohlsten und brillieren mit gleichmäßig-kraftvollem Vortrieb. Mit spritzig-direktem Schub verfügt die 900-Kubik-Ausbaustufe in jeder Lebenslage über spürbar mehr Schmalz als in der Reiseenduro-Konfiguration. Selbst bei untertourigem, schaltfaulem Dahingondeln reagieren sie klaglos und stotterfrei auf Drosselklappen-Kommandos. Die fehlerverzeihende, seidige und kultivierte Abstimmung lässt selbst bei nervösem Werkeln am Gasgriff keine lästigen Lastwechselreaktionen zu.
Die Getriebeabstufung und die leichtgängige Seilzug-Kupplung fügen sich ebenso harmonisch in das runde Gesamtbild wie der bereits aus der F 850 GS bekannte Quickshifter. Er wurde allerdings upgedatet, jetzt klappen kupplungsfreie Schaltvorgänge in beide Richtungen klaglos. Der abgespeckte, Euro-5-taugliche Edelstahl-Schalldämpfer macht sich mit markantem aber niemals aufdringlichem Sound sowohl bei der F-900-Besatzung als auch bei Passanten auf Anhieb Freunde.
Während der leicht über den 13-Liter-Tank gebeugte Roadster-Pilot dem beutelnden Fahrtwind erwartungsgemäß schutzlos ausgesetzt ist, darf sich der hinter dem 15,5-Liter-Tank aufrecht thronende XR-Fahrer in der Deckung des per Kipphebel zweifach höhenverstellbaren Windschildes verschanzen. Voll ausgeklappt hält das Plexiglas den Luftzug vom Oberkörper fern, der Helm bleibt stets exponiert.
Nachteile bei Regen offenbart das optisch knackige Heck von R und XR. Es ist dem rassigen Fahrzeugdesign zwar zuträglich, bei Regenfahrten schaufelt das Hinterrad Spritzwasser jedoch am gekappten Kotflügel vorbei auf den Rücken der Sozia oder des Piloten.
In Sachen Handling offenbaren sich keine gravierenden Unterschiede zwischen dem 211 Kilo leichten Roadster und der acht Kilo schwereren F 900 XR. Beide bremsen souverän und treffen mit Leichtigkeit präzise die angepeilte Linie, der sie selbst über Bodenunebenheiten stoisch folgen. Nur das Einlenken verlangt beim Roadster nach nachdrücklichen Steuerimpulsen am Lenker, der um ein Alzerl zu schmal ausgefallen ist. Am Langstreckenkomfort der rund 820 Millimeter hohen, straff gepolsterten Sitzbänke gibt es hingegen nichts zu bekritteln.
Volles Programm
Bereits in der Grundkonfiguration sind die bullige F 900 R um 9990 und die hochbeinige XR um 12.750 Euro serienmäßig mit LED-Lichtern, ABS, Antischlupfregelung, zwei Fahrmodi und dem riesigen 6,5-Zoll-TFT-Display mit Connectivity ausgerüstet, das auch bei deutlich teureren BMW-Modellen verbaut wird.
Es sind jedoch die zahlreichen Sonderausstattungsmöglichkeiten ab Werk, die beide F-900-Modelle derzeit einzigartig von der Mittelklasse-Konkurrenz abheben. Verwöhnten stehen maßgeschneiderte Upgrades mit adaptivem Kurvenlicht, schräglagenabhängiger Traktionskontrolle, Kurven-ABS, elektronisch justierbarem Federbein, Tempomat, Keyless-Go, Quickshifter und vielem mehr zur Wahl – Möglichkeiten, die andere Hersteller derzeit schlicht nicht bieten.
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