Unsichtbare Gefahr: Warum Feststoffakkus nicht so sicher sind, wie erhofft

Symbolbild: Akku-Pack eines E-Autos im Labor.
Feststoffakkus gelten als Hoffnungsträger der Elektromobilität. Forschungsergebnisse zeigen jetzt, dass auch diese Technik Risiken birgt.

Feststoffbatterien gelten als vielversprechende Zukunftstechnologie: kompakt, hoch effizient, nicht entzündlich und vermeintlich sicherer als klassische Lithium-Ionen-Akkus mit flüssigem Elektrolyt. Eine neue Studie der Technischen Universität München wirft genau dieses Sicherheitsversprechen über Bord: Forscher entdeckten, dass wie in flüssigem Elektrolyt auch in polymerbasierten Feststoff-Elektrolyten gefährliche Metallstrukturen wachsen können, sogenannte Lithium-Dendriten.

Was sind Dendriten, warum sind sie gefährlich?

Dendriten entstehen, wenn sich während des Ladezyklus des Akkus Lithium unregelmäßig anlagert, nicht gleichmäßig über die Elektrodenfläche, sondern punktuell. So wachsen nadelförmige Metall-Strukturen, die im Extremfall den Separator oder Elektrolyten durchdringen können. Bei klassischen Lithium-Ionen-Batterien mit flüssigem Elektrolyt ist das Risiko besonders hoch: Der Dendrit kann wachsen, die Akku-Ummantelung durchbrechen und einen Kurzschluss mit Überhitzung, Brand oder Explosion verursachen.

Festkörperakkus mit festen, nicht flüssigen Elektrolyten galten bisher als sicherer: Der feste Elektrolyt sollte das Wachstum oder die Durchdringung von Dendriten verhindern. Eine aktuelle Untersuchung der TU München zeigt allerdings, dass Lithium-Dendriten auch innerhalb des festen, polymerbasierten Elektrolyten entstehen können, und zwar nicht nur direkt an der Anode, sondern tief im Elektrolyten selbst.

Damit stellt die Studie ein zentrales Sicherheitsargument in Frage: Selbst Festkörperakkus bieten keine verlässliche Garantie gegen gefährliche Kurzschlüsse, wenn die Material- und Zellarchitektur nicht perfekt ist.

Neuer E-Auto-Akku von CATL bringt 50 Prozent mehr Reichweite (Symbolbild).

Feststoffbatterien sollen sicherer und langlebiger als Lithium-Ionen-Batterien sein. Die TU München widerlegt diese Annahme nun.

Der Forschungsprozess

Die Wissenschaftler der Technischen Universität um Fabian Apfelbeck und Peter Müller‑Buschbaum verwendeten für ihre Studie eine speziell entwickelte Miniaturzelle, in die sie bei Lade- und Entladezyklen nanofokussiertes Röntgenlicht (X-ray) mit extrem schmalem Strahl (ca. 350 Nanometer) leiteten. So konnten sie erstmals beobachten, wie sich dendritische Strukturen innerhalb des polymeren Elektrolyten bildeten, also in der Schicht, die eigentlich schützen sollte.

Die Ergebnisse widersprechen der bisherigen Annahme, wonach Feststoff-Elektrolyte nahezu immun gegen Dendriten seien. Stattdessen zeigen sie, dass unter realistischen Betriebsbedingungen wie dem Laden und Entladen ein kritisches Risiko besteht. Der chemisch-mechanische Prozess, der zu diesen Strukturen führt, ist komplex: Es tragen Ionentransport, mechanische Spannungen und insbesondere Mikrorisse im Material zur Entstehung bei.

Feststoffbatterie vs. Lithium-Ionen: Wo liegen die Unterschiede?

  • Elektrolyt: flüssig bei Lithium-Ion, fest bei Festkörperzellen
  • Sicherheitsprofil: höhere Entzündungsgefahr bei Flüssigelektrolyt, Festkörper gilt als stabiler
  • Energiedichte: höher bei Feststoffzellen, niedriger bei Flüssigen
  • Alterung: Festkörperakkus können potenziell mehr Ladezyklen erreichen
  • Herstellung: Feststofftechnologie ist komplexer und empfindlicher gegenüber Materialfehlern

Feststoffbatterien gelten als vielversprechende Weiterentwicklung bestehender Lithium-Ionen-Systeme. Ihr fester Elektrolyt bringt mehrere Vorteile mit sich: Er kann nicht auslaufen, ist nicht entflammbar und erlaubt theoretisch eine höhere Energiedichte. Dadurch lassen sich leichtere und kompaktere Akkus konstruieren, die langfristig mehr Ladezyklen überstehen könnten.

Für die Entwicklung bedeutet das: Ein fester Elektrolyt allein reicht nicht aus, um kritische Ablagerungen zuverlässig zu verhindern. Die Qualität des Materials, die Reinheit der Struktur und die exakte Gestaltung der Zellarchitektur werden zu entscheidenden Faktoren. Schon kleinste Mikrorisse oder Inhomogenitäten können ungünstige Wachstumsprozesse begünstigen.

Bedeutung für die Praxis

Angesichts der neuen Erkenntnisse gehen die Forscher der TU München nicht mehr davon aus, dass die Weiterentwicklung von Feststoffbatterien ohne größere Hürden gelingt. Der bisher angenommene Sicherheitsvorteil gegenüber klassischen Lithium-Ionen-Zellen gelte nur unter der Voraussetzung, dass Materialstruktur, Zellfertigung und Elektrolyt sehr präzise aufeinander abgestimmt sind. Erst dann ließe sich das Risiko einer dendritischen Durchdringung deutlich reduzieren.

Die Wissenschaftler erklären, dass die Ergebnisse neue Möglichkeiten für die Materialforschung und für alternative Zellkonzepte eröffnen könnten. Gleichzeitig zeige die Studie, wie anspruchsvoll die Entwicklung moderner Batterietechnologien ist. Die angestrebte Kombination aus hoher Leistung, kompakter Bauweise und verlässlicher Sicherheit bleibe ein wesentlicher Forschungsfokus.

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