Die großen Wachstumsfantasien bei den Autobauern
Ein Kurszuwachs von fast 700 Prozent in nur einem Jahr! Das gibt es selten. Geschafft hat das der US-Elektroautobauer Tesla, dessen Aktie im Vorjahr so abging wie dessen Fahrzeuge beim Beschleunigen. Und der Saft ging bis heute nicht aus. Heuer legte das Papier schon um weitere 17 Prozent zu.
Damit ist die Tesla-Aktie höher bewertet als alle europäischen, amerikanischen und japanischen Automobil-Hersteller zusammen. Autoaktien-Analyst Frank Schwope von der deutschen NordLB hält dies für „massiv überzogen“. Denn bei den wirtschaftlichen Kennzahlen fährt Tesla der Konkurrenz massiv hinterher. Der Umsatz stieg zwar 2020 deutlich um 28 Prozent auf fast 32 Milliarden Dollar. Doch damit ist der Konzern weitab von den größten Autounternehmen der Welt.
Das trifft auch auf die Gewinn- und Absatzzahlen zu. Hier liegen von vielen Konkurrenten zwar noch keine endgültigen Jahresergebnisse vor. Doch schon bis inklusive des dritten Quartals zeigte sich, dass Tesla gegenüber den größten Autobauern hinterher hinkte. Zum Vergleich: Bei Tesla waren es knapp 600 Mio. Dollar Gewinn, bei VW 2,3 Milliarden Euro, wobei es im Vorjahreszeitraum noch 14,6 Mrd. Euro waren.
Gewinn je Fahrzeug
Doch bei einer weiteren wichtigen Kennzahl, der Gewinn je verkauftem Fahrzeug, steigt Tesla auf den ersten Blick sehr gut aus. Während bei der Pkw-Sparte von VW der Verlust 415 Euro je Auto ausmacht (was vor allem an der Tochter Seat liegt), kommt Tesla auf 2.890 Euro Gewinn. Davor liegt nur VW-Tochter Porsche mit 9.853 Euro Gewinn, wie Zahlen des deutschen Center Automotive Research für das erste Halbjahr 2020 zeigen.
Allerdings ist das Bild ziemlich verzerrt: Tesla macht seine Gewinne nach wie vor insbesondere mit dem Verkauf von Emissionsrechten an andere Autohersteller. Dies brachte 1,6 Mrd. Dollar ein, worauf der erste Jahresgewinn (von 721 Mio. Dollar) seit Unternehmensgründung im Jahr 2003 fußt.
Angesichts der bereits starken Kursgewinne ist die Aktie vielen Börsianern schon zu teuer. Von 12 Analysten raten nur 2 zum Kauf. Das durchschnittliche Kursziel bis Jahresende liegt bei nur 240 Dollar. „Ein geplantes jährliches Wachstum von 50 Prozent über mehrere Jahre erscheint übertrieben“, so Schwope.
Bei VW wiederum fiel das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen mit rund 10 Mrd. Euro im Vorjahr „überraschend stark“ aus. Schwope rechnet mit maximal 2 Mrd. Euro an Sondereffekten aus dem Dieselskandal.
Absatzkaiser
Allerdings hat beim globalen Absatz erstmals seit fünf Jahren Toyota den Rivalen von der Spitze verdrängt. Die Japaner kamen auf 9,53 Mio. verkaufte Fahrzeuge, VW auf 9,3 Millionen. Der Absatz brach Corona-bedingt bei VW deutlicher ein, da Toyota in den USA stärker ist, wo es kaum Lockdowns gab.
Der Marktforscher IHS Markit rechnet, dass VW heuer wieder zurückschlagen werde. Der Konzern hat sich von den Nachwehen des Abgasskandals fast vollständig erholt und kann sich die massiven Investitionen in die Elektromobilität leisten. Die Aktie ist im Verhältnis zum Gewinn relativ günstig und hat laut Analysten noch Potenzial.
General Motors hat sich hingegen seit dem Verkauf der Tochter Opel an die französische PSA-Gruppe vom Kampf um Platz eins verabschiedet. GM setzt ebenso auf alternative Antriebe: ab 2035 sollen nur noch abgasfreie Autos verkauft werden. Auch wenn die Aktie seit Jahresbeginn schon rund ein Drittel zulegte, ist sie noch immer fair bewertet.
Daimler wiederum macht nun von sich reden, dass die Nutzfahrzeugtochter noch heuer abgespalten und an die Börse gebracht werden soll. So sollen beide Firmen schneller handeln können. Den Börsianern gefällt das, sie griffen nach Verkündung beherzt zu. Das lag auch daran, dass das Geschäftsjahr 2020 besser lief als erwartet.
Bleiben noch chinesische Hersteller wie BYD oder NIO. Sie setzen sehr stark auf den Elektroantrieb und fordern mit attraktiven Preisen die etablierten Hersteller heraus, wenn auch mit noch wenigen Modellen. Die Aktien schossen mit 400 bzw. 1000 Prozent Plus im Vorjahr nach oben. Womit sich hier der Kreis zu Tesla schließt.
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