Zum Nationalfeiertag: Das Land zwischen den Stühlen

Zum Nationalfeiertag: Das Land zwischen den Stühlen
Was macht heutzutage die Identität Österreichs aus? Gibt es noch eine erkennbare? Wo ist das Verbindende bei all dem Trennenden?
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Wir kennen ja das Szenario am Nationalfeiertag: Leistungsschau des Bundesheeres, Kranzniederlegung, ein paar politische Wortmeldungen – und am Abend dann getragene, mahnende Worte aus der Hofburg. So weit, so langweilig.

Das Wichtigste für die meisten Menschen ist wohl der Umstand, dass sie heute frei haben. Der Nationalfeiertag als inoffizieller Auftakt der Herbstferien – wenigstens für etwas gut.

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Dabei bietet dieser Feiertag jedes Jahr Gelegenheit, ein paar Parameter (und deren Wandel) zu überprüfen. Schon der Name Nationalfeiertag: Wie national ist die Gesinnung im Lande? Gibt es immer noch Menschen, die Österreich für eine „ideologische Missgeburt“ halten? Warum tut man sich so schwer mit Patriotismus? Warum kippt er so oft Richtung Chauvinismus? Österreich ist ein Land der Fragen und nicht der Antworten. Klarheit ist keine zentrale Kategorie, schon gar nicht im nebeligen Herbst.

Das Diametrale ist das Einende in Österreich: Viele Menschen sind froh, hier zu leben, halten das Gesundheits- und Sozialsystem für eines der besten der Welt, raunzen aber leidenschaftlich, schimpfen über die Politik und wissen ganz genau, dass das Gras auf der anderen Seite des Hügels saftiger ist. Sie sind überzeugt davon, dass man am Ende gut durch all die Krisen kommen werde, dass diese von anderen aber besser bewältigt würden. Sie wollen die Dinge selbst in die Hand nehmen, gleichzeitig aber auf den Staat vertrauen. Und sie freuen sich über Erfolg, solange diesen nicht die eigenen Nachbarn oder Kollegen haben.

Österreich, Land der Widersprüche

Österreich ist ein „Ja, aber“-Land, ein Land der nicht genauen Festlegung, ein Land zwischen den Stühlen, ein Zwischenreich zwischen Ost und West, wohlhabend, aber gefühlt stets arm, ein Autoland ohne eigene Automarke, ein Land der Zulieferer in vielerlei Hinsicht, ein Land der Widersprüche. Wir fahren auf allen Autobahnen des Lebens auf der mittleren Spur, mit der Gefahr, rechts und links überholt zu werden. Erstaunlicherweise kommen wir damit zumeist ganz gut ans Ziel.

Worauf sich definitiv viele in diesem Land verständigen können, ist die Neutralität. Aber weniger auf die Neutralität im politischen Sinn, sondern auf die Neutralität als Haltung, als klares Bekenntnis zum Einerseits/Andererseits. Weitere Identitätsmerkmale: die Liebe zur Landschaft; eine Affinität zur Kultur, auch wenn diese oft als Reibebaum dient; eine Begeisterung für Sportler, aber nur bei Erfolg oder Absturz; und Skepsis gegenüber Exzellenz und Eliten.

Dabei ist gerade das die große Chance: Bildung und die Förderung von Talenten. Es gibt so viele tolle, begabte Menschen, die aber am österreichischen Negativismus und an der Destruktivität scheitern. Es ist ein gutes Land, heißt es bei Grillparzer. Wir müssen das Gutsein nur zulassen.

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