In 8 Minuten durch Österreich: Ein Ortsteil heißt wie das Land

Ortstafel an einer Straße
Zwölf Österreicher dürfen doppelt Nationalfeiertag begehen: Der Ortsteil, in dem sie leben, trägt den Namen der Republik. Das hat mit Wein zu tun.

Frieda Schwarz deutet auf den Waldrand: "Dort hinten ist Österreich aus", schmunzelt sie nach der Wanderung. Aber was heißt Wanderung: Ein paar Minuten Gehen – und schon ist Österreich von Süd nach Nord durchquert.

Österreich im Kleinen jedenfalls. Vier Gehöfte mit derzeit zwölf Einwohnern zählt jener Ortsteil der Gemeinde Hitzendorf nahe Graz, der den Namen der Republik trägt.

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Sogar Google Maps spuckt das Österreich im Minimundusformat aus. Nur ChatGPT ist überfordert: "In Österreich gibt es keinen Ortsteil oder Stadtteil mit dem Namen Österreich‘", behauptet die Künstliche Intelligenz, die dann so intelligent nicht scheint, denn das steirische Österreich ist zumindest seit dem 17. Jahrhundert verbrieft.

Aber auf – gedruckten – Wanderkarten taucht das Mini-Österreich auf, ist es doch Teil des Grazer Umlandwanderweges, ebenso auf den Schildern entlang der Strecke: Wer bei der Freiwilligen Feuerwehr in Hitzendorf startet, schafft es in 20 Minuten durch Österreich, verrät die gelbe Hinweistafel.

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Österreich ist ein Riedname nach dem Wein, der hier angebaut wird

von Günter Schwarz

Ortsteil Österreich

Immer mal wieder gibt es am Nationalfeiertag auch eigene Wanderungen in Österreich und durch Österreich, speziell gefeiert wird der österreichische Nationalfeiertag von den Österreichern dort aber nicht.

Kein Land der Berge

Doch anders als Österreich, die Republik, ist Österreich, der Ortsteil, kein Land am Strom, kein Land der Berge. Aber immerhin beinahe ein Land am Dome, denn in Österreich gibt es eine (privat) errichtete Kapelle. Die GPS-Uhr zeigt genau, wie lang es dauert, durch dieses Österreich zu marschieren, keine acht Minuten nämlich, das Umrunden schafft man in einer halben Stunde.

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Österreich lässt sich umwandern

Österreich, der Ortsteil, ist maximal hügelig, nicht bergig, an der östlichen Grenze fließt ein Bach. Frieda und Günter Schwarz sind zwei der zwölf doppelten Österreicher, die in dem Ortsteil leben. Gleich hinter ihrem Anwesen mit Imkerei liegt die nördliche Außengrenze. Gute 800 Meter weiter südlich fängt Österreich an. Zuweilen, so lacht Günter Schwarz, mache man sich mit Freunden einen Scherz – und Passkontrollen. "Wer keinen dabei hat, muss eine Runde zahlen."

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Behördlich aufgestellte Ortstafel gibt es keine, aber eine, die vor gut 20 Jahren von den Bewohnerinnen und Bewohnern errichtet wurde, aus Holz. Österreich selbst war nie Katastralgemeinde, sondern ist bloß ein kleines Stück der Katastralgemeinde Berndorf, eine von insgesamt 23 in Hitzendorf.

Hat Österreich einen Bürgermeister?

Deshalb führt auch keine/r der zwölf Bewohnerinnen und Bewohner "Österreich" in der Adresse, deshalb gibt es auch keine eigene Postleitzahl, dieses Österreich scheint auch nicht auf Meldezetteln auf. Und eigener Bürgermeister wird auch keiner gewählt. "Die Frage wird uns auch immer wieder gestellt“, lacht Frieda. „Bei uns ist aber jeder Bürgermeister.“

Doch wie kommt es, dass ein etwa 25 Hektar großes Stückchen Land offiziell den Namen der Republik führt?

In 8 Minuten durch Österreich: Ein Ortsteil heißt wie das Land

Frieda und Günter Schwarz sind doppelte Österreicher

Die Herkunft und zeitliche Einordnung sei "eine unsichere Sache", überlegt Günter Schwarz, dessen Familie seit mehreren Generationen im steirischen Österreich lebt und die Kapelle im Ortsteil errichtet hat. „Eventuell haben Leute aus Ober- oder Niederösterreich das Land hier urbar gemacht und irgendwann ist ‚ober‘ oder ‚nieder‘ in der Bezeichnung verschwunden.“

Der Wein ist schuld

Verbrieft ist dagegen die Lesart mit dem Wein. Mitte des 17. Jahrhunderts war eine Weißweinsorte in ganz Österreich – dem großen – sehr beliebt, sogar am Kaiserhof in Wien soll sie kredenzt worden sein: Österreichisch Weiß hieß die Rebsorte, die aus der Steiermark stammte – und einem Weinbaugebiet den Namen gab, Österreich in Hitzendorf nämlich.

"Österreich ist also ein Riedname", klärt Günter Schwarz auf. Der sich auch hielt, als der Namensgeber verschwand: Ende des 19. Jahrhunderts setzte die Reblaus Österreichisch Weiß derart zu, dass sämtliche Reben vernichtet wurden. Heute schenken die Österreicher aber wieder Österreichisch Weiß aus – und das ist dem Burgenland zu verdanken: Ein Winzer aus Großhöflein ließ Mitte der 1980er-Jahre seine Rebstöcke analysieren – er stellte fest, dass die autochthone Sorte überlebt hatte.

Der Wein ist wieder da

Ilse Pötscher, die "Kirchenwirtin" von Hitzendorf, setzte sich dafür ein, dass Reben auch in der Steiermark neu angepflanzt wurden. Auch Familie Schwarz hat ein paar Dutzend dieser Weinstöcke gesetzt, bis sie tragen, dauert es aber noch. „Wir haben uns aber gedacht, der Wein Österreich soll wieder nach Österreich kommen.“

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