Zum Finale der WM: Katar wird den Westen noch lange beschäftigen

Zum Finale der WM: Katar wird den Westen noch lange beschäftigen
Mit dem Schlusspfiff scheint die Mission des Emirats erst so richtig zu beginnen. Die Versuchungen sind groß, Institutionen anfällig. Die Ignoranz des Westens ist ein Mitgrund für die besorgniserregenden Umstände.
Philipp Albrechtsberger

Philipp Albrechtsberger

Die vierte Adventkerze ist gelöscht, und Argentinien ist neuer Fußball-Weltmeister. An den Zeitpunkt des weltumspannenden Sportspektakels in Katar hat man sich in unseren Breiten auch nach vier Wochen noch immer nicht gewöhnt, wenngleich Termindebatten sich als die unwichtigsten herausgestellt haben bei diesem Menschheitsereignis, das die Welt noch einige Zeit beschäftigen dürfte.

Sportlich lässt sich zusammenfassen: Fußball ist auch in der Wüste ein fantastisches Spiel und weitgehend immun gegen all die krankhaften Ausformungen, die das Business mittlerweile angenommen hat. Dass die FIFA von „der besten Weltmeisterschaft aller Zeiten“ fabuliert, ist wenig überraschend und dennoch an Zynismus kaum zu überbieten. Die Praktiken und das Selbstverständnis des Weltverbandes sind hauptverantwortlich für das Bild, das der Fußball im Speziellen und der organisierte Weltsport im Allgemeinen abgibt. Korruption höhlt jedes System aus, bis irgendwann nur noch die Hülle übrig bleibt. Der Fußball ist ein prominentes Opfer, längst aber nicht das einzige.

Versäumnisse

Auch das haben die vergangenen Wochen bewiesen. Der jüngste Korruptionsskandal im EU-Parlament um die Vizepräsidentin Eva Kaili bestätigte, dass die großen westlichen Institutionen keine passenden Mechanismen gefunden haben, um den immer größer werdenden Versuchungen aus Ländern wie Katar zu widerstehen. Dieses Versäumnis ist auch mit einer gewissen Ignoranz zu erklären, der arabische Raum ist dem Westen noch immer sehr fremd. Diesbezüglich eröffneten die vergangenen Wochen einen differenzierteren Blick auf das Emirat.

An Scheinheiligkeit mangelte es manchen Debatten dennoch nicht zu knapp. Nicht selten hatte man das Gefühl, dass die berechtigte Kritik aus der Entfernung hier noch ein bisschen schärfer und direkter formuliert wurde als bei vergangenen Ausrichtern von Großevents. Auch die WM in Russland vor vier Jahren hätte für nachhaltige gesellschaftspolitische Debatten im Gastgeberland getaugt, womöglich wäre vieles, das heute unser tägliches Leben beeinflusst, sogar absehbar gewesen.

Katar nutzt seine Möglichkeiten nur noch konsequenter – und dreister. Dass etwa am Tag der Razzien in den EU-Büros der Emir gemeinsam mit FIFA-Präsident Gianni Infantino internationale Anti-Korruptions-Preise verteilen ließ, mag eine üble Pointe sein.

Es kommt aber noch schlimmer. Selbst einige internationale Arbeitergewerkschaften stehen nun im Fadenkreuz der Ermittler. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), eine Sonderabteilung der UN, betreibt seit fünf Jahren ein Büro in Doha, samt 20-Millionen-Dollar-Zuschuss aus dem Emirat. Gerade auf deren Studien und Einschätzungen haben sich Hunderte Berichte gestützt. Die Antwort kann künftig nur lauten: größtmögliche Distanz und eben ein bisschen weniger Geld.

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