Nancy Faeser ist spätestens diese Woche nach einem Kommunalgipfel zur Flüchtlingsproblematik davon abgekommen. Jetzt nimmt auch sie das Wort „Balkanroute“ in den Mund, verlängert die Grenzkontrollen zu Österreich und fordert Serbien auf, die lockeren Visa-Regeln zu überdenken. Nicht zuletzt, weil sie von der Realität eingeholt wurde. Städte wie Hamburg oder Bremen müssen bereits Zelte aufstellen, weil sie für die Asylsuchenden nicht mehr genug Unterkünfte zur Verfügung stellen können.
Ähnliches droht Österreich. Das Innenministerium hat schon angedeutet, dass auch hier wieder Zelte notwendig sein werden, um alle Asylwerber – abgesehen von jenen aus der Ukraine – unterbringen zu können. Das erinnert stark an das Jahr 2015, als das Heer etliche Zeltlager errichtete, damit Flüchtlinge nicht auf der Straße schlafen müssen.
Wer angesichts dieser Entwicklung noch immer glaubt, dass das Asylthema von Kanzler und Innenminister nur deswegen hochgezogen worden ist, damit die Umfragewerte der ÖVP steigen, der sollte rasch in der Realität ankommen. Oder die Wiener Innenbezirke verlassen und jene Gemeinden an der burgenländisch-ungarischen Grenze besuchen, wo tagtäglich illegale Migranten stranden oder von Schleppern auf den Dorfplätzen einfach ausgesetzt werden. Dort wissen die Menschen, was der aktuelle Ansturm – Anfang Oktober wurden österreichweit schon an die 70.000 Asylansuchen gezählt – für ihr Leben bedeutet. Und wem dieser Weg zu mühsam ist, der sollte wenigstens registrieren, dass nun schon fast jede Woche aus dem Burgenland ein Unfall mit einem Schlepperauto vermeldet wird.
Die aktuelle „Aktion scharf“ von Polizei und Bundesheer an den österreichischen Grenzen gegen illegale Migranten und Schlepper kann ja nur als Symptombekämpfung gewertet werden. Wichtiger wäre, dass die EU-Kommission endlich von sich aus aktiv wird und praktikable Lösungen für einen funktionierenden Außengrenzschutz und eine kontrollierte Zuwanderung den Regierungschefs auf den Tisch legt. Aber vielleicht gibt es dafür gerade jetzt ein Mondfenster, weil auch Deutschland erkannt hat, dass es seine Strategie ändern muss.
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