Was sind wir nicht alle sozial

Purple Light Up
Spendengalas und Kampagnen dürfen nicht davon ablenken, dass Menschen mit Behinderungen noch immer nicht gleichgestellt sind.
Agnes Preusser

Agnes Preusser

Wissen Sie eigentlich, was es bedeutet, wenn am Samstag mehrere Gebäude violett erstrahlen? Damit wird ein Zeichen anlässlich des internationalen Tags der Menschen mit Behinderung gesetzt. Bereits morgen findet eine Diskussionsveranstaltung über Inklusion im Parlament statt. So werde der Ehrentag „im Vorfeld angemessen begangen“, heißt es dazu in einer Aussendung der Parlamentsdirektion.

Dass diese Veranstaltung, in der über Herausforderungen im Alltag für Menschen mit Behinderungen gesprochen wird, wichtig ist, steht außer Frage. Aber angemessen? Für wen? Ist es wirklich angebracht, dieser Personengruppe auszurichten, dass man ihre Anliegen angemessen behandle. Sollten sie das nicht selbst beurteilen? So schnell wird aus angemessen vermessen.

Das ist freilich kein alleiniges Problem der Politik, sondern eine tief in der Gesellschaft verankerte Geisteshaltung: Wir reden ja eh angemessen über Menschen mit Behinderungen.

Wir beleuchten ja eh jedes Jahr am 3. Dezember Gebäude in ganz Österreich violett. Wir haben ja eh mit „Licht ins Dunkel“ eine riesige Spendengala, um zu helfen. Nichts davon ist schlecht. Im Gegenteil. Aber es reicht bei Weitem nicht aus, um sich zurücklehnen und sich auf dem „Was sind wir nicht alle sozial“-Gedanken auszuruhen. Menschen mit Behinderung haben nach wie vor im Alltag mit Schlechterstellungen und Barrieren zu kämpfen, sie werden im Bildungssystem und in der Arbeitswelt benachteiligt.

Im Jahr 2008 hat Österreich die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet – ein Bekenntnis, dass Menschen mit Behinderung eine uneingeschränkte und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden soll. Davon sind wir noch weit entfernt. So weit, dass sich Tausende Menschen mit Behinderung im September gezwungen sahen, das erste Mal seit Jahrzehnten gemeinsam für ihre Rechte zu demonstrieren.

Über das Thema muss im Parlament diskutiert werden, aber nicht aus Prestigegründen – und vor allem mit konkreten Ergebnissen. Es müssen auch weiter Gebäude violett beleuchtet werden, aber nicht, damit wir uns als Gesellschaft großartig fühlen können, sondern um die Gleichstellung immer weiter voranzutreiben. Es braucht auch weiter „Licht ins Dunkel“ für Menschen, die finanzielle Hilfe benötigen. Aber das darf nicht davon ablenken, dass kurzfristige Geldspenden nicht dafür sorgen, dass die strukturelle Ungleichbehandlung im Land abgeschafft wird.

Und die UN-Behindertenkonvention darf nicht als irgendein Papier angesehen werden, das man halt einmal unterzeichnet hat. Man muss sie ernstnehmen und umsetzen. Alles andere ist nicht sozial. Und schon gar nicht angemessen.

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