Sebastian Kurz: Ein Freispruch, der aufrütteln muss

AUSTRIA-POLITICS-JUSTICE-TRIAL-CORRUPTION
Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz ist vom Vorwurf der Falschaussage freigesprochen worden. Dieser richterliche Schlussstrich darf nicht das Ende der Debatte über dieses Verfahren sein.
Martin Gebhart

Martin Gebhart

Dass das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einen Freispruch umwandelt, war nicht zu erwarten gewesen. Der Vorwurf der Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss, den Richter Michael Radasztics noch bestätigt gesehen hatte, wurde von der nächsten Instanz anders bewertet. Das ist ein innenpolitischer Paukenschlag, der Folgen haben muss. Da geht es weniger darum, ob der Rechtsstaat funktioniert. Das hat er: Gegen eine Verurteilung wurde berufen und das Oberlandesgericht hat entschieden. Warum die Erkenntnisse der ersten und zweiten Instanz so unterschiedlich sind, steht auf einem anderen Blatt.

Der Freispruch muss allerdings auch der WKStA zu denken geben. Monatelang wurden Ermittlungen geführt, unzählige Zeugen vernommen. Mehr als in so manch anderem großen Prozess. Und das alles wegen einer vermeintlichen Falschaussage in einem U-Ausschuss. Ob das den enormen Aufwand rechtfertigt, sei dahingestellt. Anders sieht es in einem zweiten Verfahren gegen den Ex-Kanzler aus, bei dem es um verfälschte Umfragen, um das sogenannte "Beinschab-Tool" geht. Da geht es für Sebastian Kurz um mehr. 

Die FPÖ ist derzeit damit beschäftigt, einen U-Ausschuss zum Tod von Ex-Sektionschef Christian Pilnacek und zu Corona-Maßnahmen einzusetzen. Die Themen würden passen, dass nach den U-Ausschuss-Tagen wieder die Staatsanwaltschaft bemüht wird. Falls man sich nicht doch noch einmal die Chronologie dieses Kurz-Urteils genau anschaut und erkennt, dass parlamentarische U-Ausschüsse mehr sein sollten als die Plattform für Sachverhaltsdarstellungen gegen gegnerische Politiker.

Vielmehr geht es um den Umgang im politischen Geschäft. Da gibt es einen U-Ausschuss, der den Anschein erweckt, dass es weniger um die Wahrheitsfindung als darum geht, einen politischen Gegner der Staatsanwaltschaft übergeben zu können. In diesem Fall der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Das ist eine Umgangskultur, die meist nicht nur ins Leere führt, sondern vielfach auch die Menschen abstößt und zur immer wieder genannten Politikverdrossenheit führt.

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