5 Jahre Corona: Braucht es noch eine Aufarbeitung?

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Fünf Jahre ist es her, dass die Corona-Pandemie mit all ihren Maßnahmen wie Lockdowns, Testen und Impfen über uns hereinbrach. Wie wichtig ist jetzt noch eine Aufarbeitung? Zwei Stimmen dazu aus der KURIER-Redaktion.
Georg Leyrer

Georg Leyrer

Agnes Preusser

Agnes Preusser

PRO

Agnes Preusser, Ressortleiterin Chronik

Wenn die nächste Pandemie kommt (Optimisten können diesen Satz alternativ mit „Falls“ beginnen), werden wir schön aus der Wäsche schauen. Notwendige Maßnahmen werden von vielen nicht eingehalten werden, die noch nicht geschlossenen Gräben in der Gesellschaft, die die Corona-Zeit hinterlassen hat, werden noch tiefer werden.

Es ist verständlich, dass das Reden über die Zeit von damals vielen schon auf die Nerven geht – so tun, als wäre nichts gewesen, darf man als Entscheidungsträger aber trotzdem nicht. Aufarbeitung heißt allerdings nicht, sich auf offener Politbühne eine Plattitüde nach der anderen gegenseitig vor die Füße zu werfen und gegenseitiges Misstrauen und Hass noch weiter zu schüren. Aufarbeitung heißt noch weniger, sich nur in der Vergangenheit zu suhlen, sondern vielmehr in die Zukunft zu schauen. Welche Kommunikationsfehler von damals kann man vermeiden? Welche Instrumente muss man schaffen, um in der Krise schnelle (und im Idealfall gute) Entscheidungen zu treffen? Welche psychischen Probleme hat die Zeit hinterlassen – und wie kann man diesen entgegenwirken?

Übrigens: Zum Selbsttest „Alles gurgelt“ mag man stehen, wie man will. Um die Erkenntnisse von damals, etwa die ausgefeilte Logistik dahinter, wurde Wien in der Wissenschaftscommunity weltweit beneidet. Darauf muss man weiter aufbauen.

Aus vorhandenem Wissen Lehren zu ziehen, wäre die sinnvollste Form der Aufarbeitung.

CONTRA

Georg Leyrer, Ressortleiter Kultur

Welch schönes Wort, „Aufarbeitung“. Das klingt nach informiertem Austausch von Wissenschaft, Politik, Medien und Zivilgesellschaft über das, was man aus der Pandemie gelernt hat (bisher nicht viel), und darüber, was man das nächste Mal besser machen könnte.

Das ist halt nur nicht das, was seit 2020 passiert, wenn über die Pandemie geredet wird. Aufarbeitung ist vielmehr synonym mit Zornpflege: Es sollen jene, die schon damals ganz viel konträre Meinung zu allen Maßnahmen hatten, im Nachhinein bestätigt werden, auf dass sie aus dem postpandemischen Schmollwinkel kommen.

In dem gärt es nämlich auch politisch: Viele sind in der Pandemie auf den Pfad des Desinformationskonsums geraten und von dort fließend in all jene Online-Meinungsfallen gegangen, die so fatal an der Demokratie knabbern.

Zu glauben, dass man mit extratiefem „Mea culpa“-Kotau hier für Versöhnung sorgen kann (wer mit wem eigentlich?) und soll, ist ein Irrglaube. Das Gegenteil passiert: Es werden durch all die politischen Aufarbeitungstänze im Nachhinein jene gedemütigt, die sich an die Maßnahmen gehalten haben, diejenigen, die wissen, dass Wissenschaft eben forscht und sich daher die Ansichten fliegend ändern können, ohne dass das ein Indiz für die große Weltverschwörung ist.

Es passieren Fehler, klar, auch bei der Pandemie, das ist es, was Zusammenleben ausmacht. Das ist kein Grund für Zorn. Echte Aufarbeitung gibt es erst dann, wenn dieser Zorn nicht mehr gepflegt wird.

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