Wird in Österreich genug gegen Armut getan?

Wird in Österreich genug gegen Armut getan?
Das Video, in dem Kanzler Nehammer über einen Burger als nicht gesunde, aber warme Mahlzeit spricht, hat eine Debatte über Armut entfacht.
Rudolf Mitlöhner

Rudolf Mitlöhner

Harald Eggenberger

Harald Eggenberger

JA

Das Problem an der (nicht nur) österreichischen Armutsdebatte  ist, dass immer so getan wird, als gäbe es die, die Armut bekämpfen wollen, und jene, welche quasi für die Armut sind. Das erinnert ein wenig an die Migrationsdebatte, wo oft suggeriert wird, während die einen Migranten retten wollten, würden sie die anderen lieber ertrinken lassen.
Diese Darstellungen werden von einschlägig Interessierten befördert, sind aber natürlich Nonsens. Wahr ist, dass kein Mensch, der einigermaßen bei Sinnen ist, für Armut (bzw. das Ertrinken-Lassen) sein kann; sondern, dass es in der politischen Auseinandersetzung darum geht, wie sich Armut am besten vermeiden bzw. reduzieren lässt.

Wird in Österreich genug gegen Armut getan?

Darüber gehen die Ansichten tatsächlich weit auseinander. Dazu muss man freilich noch sagen, dass Armut – egal, welche Kriterien man heranzieht (auch über die kann und soll man streiten) – immer ein relativer Begriff ist. Das heißt, dass es Armut immer geben wird – außer in einer egalitären Gesellschaft. Aber eine solche zu etablieren hat ja bisher eher nicht so rasend gut funktioniert. Wenn also beklagt wird – ein Lieblingsnarrativ der Linken aller Art – dass „die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht“, so unterschlägt das, dass auch die Armen insgesamt immer „reicher“ geworden sind. Und dass die Reichen früherer Zeiten gemessen am Wohlstandsniveau von Ländern wie Österreich vergleichsweise arm ausschauen. Vielleicht hätte Nehammer das auch noch erklären sollen.

Rudolf Mitlöhner ist Innenpolitik-Redakteur

Close-up of Caucasian girl with pigtails eating a burger

NEIN

Gegen Armut kann  gar nicht genug getan werden.  In der Medizin kommt ja auch niemand auf die Idee, zu sagen: Wir haben  Medikamente gegen die schlimmsten Krankheiten, wir können die Forschung einstellen. Man kann aber darüber reden, was unter Armut zu verstehen ist. Elendsviertel und massenhafte Unterernährung kennen wir in Österreich zum Glück nicht. Aber es gibt eine Armut abseits davon: Wer die Augen nicht verschließt, dem fällt in der Straßenbahn das übergewichtige Mädchen mit den viel zu kleinen Schlapfen auf. Burger sind billig, doch Schuhe sind teuer. Wer  in fremde Wohnungen kommt,  der sieht mitunter Möbel aus den 70er-Jahren und Schimmelflecken an der Wand. Wer dort wohnt, ist arm.

Wird in Österreich genug gegen Armut getan?

Ja, Österreich hat ein dichtes Sozialnetz,  und ja, es gibt Menschen, die verwenden das staatliche Geld nicht immer so, wie sie sollten – diese Kritik trifft aber immer die Falschen. Umso mehr muss versucht werden, jene zu erreichen, die die Hilfe  nicht annehmen (können). Niederschwelligkeit und Treffsicherheit sind ausbaufähig.

Armutsbekämpfung besteht auch nicht nur aus Geldtransfers: Noch mehr Bildungs- und Deutschförderangebote wären wichtig. Diese wirken  nachhaltig – hier sei an Kreiskys Bildungsreformen erinnert, die vielen einen sozialen Aufstieg ermöglichten.

Was hingegen niemandem hilft,  ist ein stammtischartiger Umgang mit dem  Thema, mit dem Politiker nur ihr Profil schärfen wollen. Deren Aufgabe ist es, funktionierende Lösungen zu finden, nicht Schuldige zu suchen. Denn sonst führen wir eine andere Armutsdebatte: jene über Inhaltsarmut in der Politik.

Harald Eggenberger ist Redakteur am Newsdesk

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