Politik steht vor Gretchenfrage Klimaschutz

Nach einer Überflutung muss das Wasser so schnell wie möglich aus dem Gebäude raus
Die 93 Empfehlungen des Klimarates können den Politikern Rückenwind geben und sie mutiger werden lassen, auch unpopuläre Maßnahmen zu treffen.
Bernhard Gaul

Bernhard Gaul

Österreich ist eine parlamentarische Demokratie, nur die Abgeordneten im Parlament machen die Gesetze. Sie sind es auch, die vom Klimarat, dessen 93 Empfehlungen seit 4. Juli vorliegen, angesprochen werden. Die Empfehlungen sollen ein „Leuchtturm“ sein, an denen sich die Politik orientieren kann, wozu die Bevölkerung eigentlich bereit wäre.

Unter den Empfehlungen sind viele logisch, einige ungewöhnlich und manche überraschen. Etwa, dass es keine klare Mehrheit für eine Senkung der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen gibt. Es waren eben waschechte Österreicher, die da dabei waren.

Spannend sind etwa Vorschläge einer verpflichtenden Leerstandsabgabe für ungenutzten Wohnraum in der Höhe der ortüblichen Miete, damit Altes genutzt und nicht immer Neues gebaut werden muss. Oder dass den Bürgermeistern die Kompetenz zur Flächenwidmung weggenommen werden soll (Landesregierungen sollen entscheiden). Oder eine massive Erhöhung der CO2-Steuer auf 120 Euro (2025) und 240 Euro (2030). Oder ein „Diskriminierungsverbot“ für krummes Gemüse.

Wobei keine der Vorschläge sind wirklich neu, den meisten liegt ein grundlegendes Verständnis für die Klimakrise zugrunde. Wirklich neu sind nur jene Ideen, die Österreichs spezielle Situation der Subsidiarität (Bund-Länder-Gemeinden) berücksichtigen.

Jetzt wird spannend zu sehen sein, was die Politik damit macht. Die Bürgerräte werden ihre Ergebnisse offiziell der Regierung (Kocher und Gewessler), dem Parlament (Sobotka) und dem Bundespräsidenten übergeben, zudem wird es wohl Termine bei allen neun Landeshauptleuten geben.

Dass der Klimasprecher der ÖVP die Ergebnisse schon vor einem Monat als irrelevant eingestuft hatte, sorgte für Wirbel, vor allem in der Volkspartei. Es scheint doch mehr Einzelmeinung als Partei- oder Klublinie zu sein. 

Die dem Klimarat zugrunde liegende Idee ist ja, dass sich die Politik auf dessen Empfehlungen berufen soll, wenn sie unbequeme Maßnahmen einführen will. Denn alle Vorschläge wurden im Klimarat zwar nicht einstimmig (der Großteil schon), aber mit einer deutlichen Mehrheit angenommen. Dass es eine erkennbare Diskrepanz zwischen dem, was die Klimaräte fordern, und dem, was die Bevölkerung auf den ersten Blick für machbar und gut hält, gibt, ist leider einfach erklärbar: Die Klimaräte wissen jetzt über die Dringlichkeit der Klimakrise Bescheid. Würden die ganze Bevölkerung diesen Wissensstand haben, wäre vieles einfacher.

Porträt eines Mannes mit Brille vor dem Hintergrund „Kurier Kommentar“.

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