Die Doping-Causa Walijewa rüttelt an den Grundfesten des Sports

Die Doping-Causa Walijewa rüttelt an den Grundfesten des Sports
Das Vor- und Nachspiel rund um die positive Dopingprobe des russischen Eiskunstlauf-Wunderkinds offenbart ein Systemversagen des organisierten Sports.
Philipp Albrechtsberger

Philipp Albrechtsberger

Wer Eiskunstläuferin Kamila Walijewa beim olympischen Kurzprogramm zugesehen hat, der wird aus dem Staunen nur schwer herausgekommen sein. Grazil und dennoch voller Kraft war ihre Darbietung, entschlossen und gleichzeitig zerbrechlich wirkte ihr Tanz (ein Faszinosum dieser Sportart).

Und auch am Donnerstag wird der Auftritt in der Kür der erst 15 Jahre alten Goldfavoritin aus Russland wohl am besten mit nur einem Wort zu beschreiben sein: unfassbar. Im Nichtfassbaren liegt zweifelsfrei ein Reiz des Leistungssports – aber auch eine Gefahr.

Was sind Athleten, Betreuer bis hin zu Staaten für Medaillen bereit zu tun? Es ist eine rhetorische Frage, die verstörenden Antworten hat zuletzt gerade eine Nation wie Russland in nachweisbaren Mengen geliefert.

Das 2014 bei den Heimspielen in Sotschi aufgeflogene Staatsdoping ist der Grund, warum Walijewa und ihre Landsleute auch in Peking ohne Flagge und Hymne auskommen müssen.

Dennoch ist die Causa nicht nur ein weiterer Dopingfall in einer langen Liste, die Posse markiert einen Tiefpunkt. Der organisierte Sport offenbart gerade auf vielen Ebenen  - IOC, Welt-Anti-Doping-Agentur, Eiskunstlauf-Verband - ein Systemversagen, weil er sowohl die Kontrolle über sein Regelwerk als auch den Anstand gegenüber der Gesellschaft verloren zu haben scheint.

Dass eine 15-Jährige im Alleingang gedopt hat, darf stark bezweifelt werden, weshalb sich zwei Fragen stellen: 1. (sollte Kamila Walijewa gesund sein): Was macht ein Herzmedikament in ihrem jungen Körper? 2. (sollte sie herzkrank sein): Warum setzt man sie noch dem Risiko Leistungssport aus?

Mahnende Beispiele

Auch der Ruf nach einem Mindestalter ist berechtigter denn je, wenngleich nur eine Symptombekämpfung. Minderjährige benötigen besonderen Schutz. Spitzensport galt nie als gesund, das heißt aber nicht, dass er krank machen muss.

Mahnende Beispiele findet Kamila Walijewa just in der Heimat. Zwei russische Eiskunstlauf-Olympiasiegerinnen der Jahre 2014 und 2018 waren bei deren Triumphen ebenfalls zarte 15 Jahre alt. Beide hat der Sport wenig später gebrochen, eine klagte über "konstanten Stress", eine diagnostizierte Magersucht war die traurige Folge.

Was man aus dem Fall lernen kann? Vielleicht eine Tatsache: Sportlicher Erfolg darf nicht Unmenschliches erfordern müssen.

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