Österreich, wir haben ein Problem

Österreich, wir haben ein Problem
Es braucht einen völligen Neustart, sonst besteht die Gefahr einer Rückkehr zum Zwei-Parteien-Staat.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Wir wollten an diesem Sonntag auf der Titelseite des KURIER das 150-Jahr-Jubiläum der Wiener Staatsoper feiern. Aber innerhalb von 24 Stunden wurde aus dem Opernland wieder ein Operettenland. Wobei das noch viel zu lieb ist für die Dramatik, die gerade zu erleben ist, für die atemberaubende Dummheit eines hochrangigen Politikers, für die grenzenlose Überheblichkeit und Ignoranz: Pfeif’ auf demokratische Werte, wir machen, was wir wollen.

Heinz-Christian Strache wurde – mit seinem Adlatus Johann Gudenus – heimlich in einer Villa auf Ibiza gefilmt. Seine Äußerungen zeigen ein Sittenbild eines Politikers, dem es nur um Macht und Unterwanderung der Strukturen zu gehen scheint. Dass er seine Funktionen zurücklegt, ist das Mindeste, das er am Samstag machen konnte.

Wie sich sein Abschied aus der Politik vollzog, war leider eine typische Umkehr der Opfer-Täter-Rolle. Minutenlang sprach er von Perfidie, von einer Schmutzkübelkampagne, von Niederträchtigkeit, von Wahlbeeinflussung – zunächst ohne jedes Unrechtsbewusstsein. Schuld sind immer die anderen. Das kennen wir von Hasspostern im Netz. Strache ist nicht der Einzige, der so tickt. Man kann sich ähnliche Videos auch von manchen seiner europäischen Kumpanen vorstellen. Auch von Linken.

Vermutlich reißt Strache die ganze FPÖ mit in den Abgrund. Das hat auch schon Haider gemacht. Und wieder ist bewiesen, dass mit dieser Partei zur Zeit kein Staat zu machen ist. Auch wenn ein, zwei Minister ausgetauscht worden wären.

Dabei hat Strache sogar recht, dass ihm eine Falle gestellt wurde. Dass das keine saubere Form der Aufdeckung ist. An seinem eigenen Fehlverhalten ändern die Art des Zustandekommens und der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos aber nichts.

Österreich hat nun jedenfalls wirklich ein Problem: Wenn die FPÖ wieder marginalisiert ist, besteht die Gefahr einer Rückkehr zum Zwei-Parteien-Staat. Das kann niemand wollen. Der einzige Ausweg aus der schier ausweglosen Situation, die die Welt wieder einmal spöttisch auf Österreich blicken lässt: Eine völlige Katharsis, ein Neustart. Das gilt auch für die zuletzt inexistente Opposition. Und Kanzler Sebastian Kurz? Der hat hoffentlich nach den notwendigerweise angesetzten Neuwahlen andere Optionen als eine Koalition mit einer Partei, deren Führer Journalisten als Huren sieht.

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