Multiorganversagen

Wien Energie
Wer übernimmt die Verantwortung für das Desaster bei der Wien Energie? Die Rathaus-Politik will daran nur nicht anstreifen
Andrea Hodoschek

Andrea Hodoschek

Die mehrheitlich staatlichen Energieversorger haben in der Vergangenheit immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt. Doch was sich derzeit bei Wien Energie abspielt, hat selbst in Österreich eine bisher noch nie da gewesene Qualität. Hier dürften alle Sicherungen durchgebrannt sein, anders ist dieses Desaster nicht zu erklären.

Ein Unternehmen kommt am Freitag drauf, dass es mehr als 1,7 Milliarden Euro braucht – und zwar dringendst, bis Montagfrüh. Dieses Unternehmen ist zu hundert Prozent im Eigentum der Stadt Wien und handelt nicht mit WC-Papier, sondern ist verantwortlich für die Strom- und Gasversorgung von zwei Millionen Kunden. Wir reden hier von Daseinsvorsorge und kritischer Infrastruktur.

Man würde annehmen, dass dieses Unternehmen besonders sorgsam wirtschaftet. Tut es leider nicht.

Zugegeben, derzeit ist die Situation für Energieversorger in Europa, die keine hohe Eigenproduktion haben, schwierig. Aber bei Wien Energie haben Unprofessionalität, Ignoranz und parteipolitische Interessen die Lage noch zugespitzt.

Risikomanagement?

Beginnen wir bei der Geschäftsführung. Gerade ein Versorgungsunternehmen dieser Größenordnung muss selbstverständlich ein besonders gutes Risiko-Management haben, das umsichtig und vorausschauend handelt. Wo war dieses Risiko-Management, wenn innerhalb von drei Tagen wieder Milliardenhilfe benötigt wird? Dass der Energiemarkt verrücktspielt und die Großhandelspreise für Strom und Gas eher nicht nach unten gehen werden, dürfte auch Wien Energie bekannt sein.

Wo war der Aufsichtsrat? Hat man die Situation auch hier gröblich unterschätzt, oder wurde das Gremium von der Geschäftsführung vielleicht gar nicht informiert? Immerhin sitzt der langjährige Chef der Rathaus-Finanzen an der Spitze des Aufsichtsrates der Muttergesellschaft.

Wo sind die Eigentümervertreter?

Wo sind die Eigentümervertreter, SPÖ-Bürgermeister Ludwig und Finanzstadtrat Hanke? Da warnt der städtische Versorger selbst vor einem Horrorszenario mit nicht mehr belieferten Kunden und Blackout-Gefahr, doch die Zuständigen im Rathaus ducken sich weg. Beim Energiegipfel am Sonntag war vom Bundeskanzler abwärts die halbe Regierung anwesend, aber Hanke und Ludwig zogen es tatsächlich vor, nicht zu erscheinen. Die einzige plausible Erklärung dafür ist, dass die Rathaus-SPÖ nicht mit diesem Skandal in Verbindung gebracht werden will.

Und wo bleibt die Transparenz? Die Stadt unterstützt ihren Versorger schon seit Juli. Still und heimlich, wie es bei unangenehmen Dingen im Rathaus eben so Tradition ist. Wenn jetzt nicht die Hilfe des Bundes gebraucht würde, wäre, wetten, nichts publik geworden.

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