Moralisches Versagen: Der Vatikan wird Stellung beziehen müssen

Moralisches Versagen: Der Vatikan wird Stellung beziehen müssen
Seit Jahrzehnten wird die Frage nach dem Verhältnis des "Kriegs-Papstes" Pius XII. zu Adolf Hitler diskutiert.
Wolfgang Unterhuber

Wolfgang Unterhuber

Als Papst Franziskus 2019 ankündigte, der Vatikan werde seine bislang verschlossenen Dokumente zur Politik seines Vorgängers Pius XII. gegenüber NS-Deutschland öffnen, war das ein Quantensprung. Denn seit Jahrzehnten wird die Frage nach dem Verhältnis des „Kriegs-Papstes“ zu Adolf Hitler und dem Dritten Reich diskutiert. Für die Kritiker hatte sich Pius XII. nicht genug für die von der Ermordung bedrohten Juden eingesetzt.

Seine Befürworter dagegen vertraten stets die Ansicht, er habe dies auf verschlungenen Wegen sehr wohl getan. Das Bild, das Historiker wie David Kertzer, USA, oder Hubert Wolf, Deutschland, seit der Archiv-Öffnung von Pius XII. zeichnen, ist eine Dokumentation des moralischen Versagens.

Wolf stieß auf zahlreiche, bislang unbekannte Bittschreiben verfolgter Juden aus ganz Europa, die sich an den Vatikan und sogar direkt an Pius XII. wandten. Kertzer macht anhand anderer Dokumente klar, dass Pius XII. über das Schicksal der europäischen Juden stets gut informiert war. Er erhielt sogar detaillierte Berichte über Massaker an der jüdischen Bevölkerung . Er aber schwieg, im Unterschied zu seinem Vorgänger, um, wie er sagte, „noch Schlimmeres“ zu verhindern.

Pius XII. mag die katholische Kirche als politische Institution äußerlich unbeschadet durch den Krieg geführt haben, wie Kertzer analysiert. Vor der Geschichte aber hat er versagt. Die Öffnung der Archive war das richtige Signal. Bald wird der Vatikan zu den Ergebnissen aber Stellung beziehen müssen.

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