Von Schuhschachteln und brechreizgrünen Fassaden

Eine Schuhschachtel - fotografiert in Niederösterreich.
Und von Bausünden und Nestern des schlechten Geschmacks - zwischen Fertigteilhaus-Siedlung und „Info-Säulen“.
Marco Weise

Marco Weise

Man muss nicht Design studiert haben, keine Ästhetik-Fachfrau sein, um festzustellen, dass seit Jahren viel zu viele geschmacklose Gebäude errichtet werden. Wir leben scheinbar im Zeitalter der schlechten oder nicht vorhandenen Architektur, in dem nur noch maximal billig, möglichst schnell und im Fertigteilverfahren gebaut werden muss. In Wien kann man das zum Beispiel an den Neubau-Siedlungen festmachen. Warum dort jemand um viel zu viel Geld freiwillig wohnen möchte, liegt wohl an den fehlenden Alternativen. Auf eine chronische Geschmacksverwirrung deuten auch die zwar nicht mehr ganz neuen, aber immer wieder aufs Neue hässlichen „Info-Säulen“ der Wiener Linien hin. Eine damals ins Leben gerufene Petition gegen das neue Design blieb ungehört. Leider.

Augenkrebsfördernd sind auch die exotischen Auswüchse in den Kleingartensiedlungen. Anscheinend gibt es dort – abgesehen von Gebäudehöhe und Außenmaße – überhaupt keine Bauvorschriften mehr. Jeder streicht die Fassade so, wie er will: Setzt der eine auf Lulu-Gelb, kontert der andere mit schreiendem FPÖ-Blau oder trumpft mit Brechreiz-Grün und Durchfall-Braun auf. Am Land ist das alles irgendwie noch trauriger. Dort geht die Zersiedlung mit Schuhschachteln (so sehen die Häuser zumindest aus) munter weiter. Herzstück der Tristesse: die Garage oder der Carport (am Land als „des Gabord“ bekannt).

Der Kabarettist Thomas Maurer widmet diesen Bausünden in seinem neuen Programm fünf treffsichere Minuten. Er kritisiert darin die Neubauten, „die schon schiach auf die Welt kommen“, Einfamilieneigenheime, „bedingungslos geliebt, egal wie hässlich“. Es sei „das Gefühl verloren gegangen, wann es genug ist, in der mit Shoppingtempeln und Gewerbeparks verschandelten Provinz.“ Möge das Gefühl schnell wiederkehren.

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