Die Handcreme-Verschwörung
Ob mit meiner Schwester in der Straßenbahn, mit einer Kollegin beim Meeting oder mit einer Freundin im Kaffeehaus: Es ist ein faszinierendes Phänomen, das man dieser Tage wieder gehäuft beobachten kann. Sobald sich zwei Frauen zusammensetzen, packt zumindest eine von ihnen eine Handcreme aus und bietet sie der anderen an. Meist sitzen sie dann zufrieden beisammen, schmieren sich die Hände ein und halten sie sich genüsslich vor das Gesicht, um den Duft einzuatmen. Ich hasse es, Klischees auf ein Geschlecht zu reduzieren, aber ich habe das schon hundertfach beobachtet und es ist wirklich immer das Gleiche.
Dieses Ritual fällt mir wahrscheinlich besonders auf, weil ich eine kleine Aversion gegen Handcremes habe. Meine Mutter hatte die Angewohnheit, Obst zu waschen, sich daraufhin die Hände einzuschmieren und dann erst das Obst aufzuschneiden. Ich konnte die Creme immer schmecken. Daher irritiere ich mein Gegenüber oft damit, dass ich das schmierige Angebot ablehne. Das Gespräch läuft dann so:
A holt die Handcreme aus der Tasche, bietet sie mir an. Magst du auch?
Ich: Danke, nein.
A cremt sich die Hände ein. Die ist echt sehr super, weil ... Riech mal!
Ich schnuppere. Mhmm, ja ja, riecht gut.
A versucht es noch einmal: Magst du doch ein bisschen?
...
Meine Schwester S. bezeichnet diesen Vorgang als Abstimmungsritual: Früher war es der Kaugummi, den man sich gegenseitig angeboten hat. Jetzt schmiert man sich gemeinsam die Hände ein, um sich einzugrooven und einander zu zeigen, dass man auf einer Wellenlänge ist.
Aha, so ist das also. Kaugummis mag ich seit meiner Zahnspangenzeit nicht mehr. Dann doch lieber einschmieren. Aber auf keinen Fall direkt danach essen.
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