Wir werden wieder regiert

Natürlich muss alles noch im Konjunktiv gehalten werden. Auch wenn Christian Stocker, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger mit einem fröhlichen Selfie ihre künftige Zusammenarbeit besiegelt haben, gibt es noch zwei Hürden. Erstens muss die SPÖ endlich zu einer gemeinsamen Linie finden, wie sie ihr Regierungsteam aufstellen will. Was da in den vergangenen Stunden geboten worden ist, könnte dazu angetan sein, den Ruf der Roten als staatstragende Partei endgültig zu ruinieren. Da wird mit Namen jongliert und herumgespielt, als ob man das Dreier-Experiment auf den letzten Metern noch scheitern lassen will.
Zweitens muss das Regierungsprogramm am Sonntag bei den Neos-Mitgliedern die Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit erhalten. Andernfalls sind die Pinken wieder aus dem Rennen – und das könnte letztlich auch das politische Schicksal der Parteivorsitzenden Beate Meinl-Reisinger besiegeln.
Werk ohne Ambitionen?
Aber gehen wir davon aus, dass alles den erwarteten Lauf nimmt und am Montag eine neue Regierung angelobt werden kann. Dann mag das für so manche Funktionärin, für so manchen Funktionär aus den drei Parteien nicht die Wunschkonstellation sein. Aber nach mehr als 150 Tagen mühseliger Verhandlungen werden wir ab der kommenden Woche endlich wieder regiert werden. Das sollte auch für jene ein Grund zum Aufatmen sein, die im September keine dieser drei Regierungsparteien gewählt haben.
Jetzt sind in dem türkis-rot-pinken Arbeitsübereinkommen keine großen Visionen zu finden. Kritiker – auch in den eigenen Reihen – sprechen sogar von einem Werk ohne Ambitionen. Damit tut man der künftigen Dreier-Regierung aber unrecht. Es sind schon etliche Punkte in dem Papier zu finden, die Österreich weiterhelfen können, wenn sie umgesetzt werden. Maßnahmen im Pensionsbereich, strengere Asylregeln, eine Aufwertung der Kindergärten, die Schaffung eines Bundesstaatsanwaltes, Ausbau der Sicherheit, eine Bremse bei den Mieten, mehr Qualität in der Pflege bis hin zu Vorgaben gegen den Klimawandel.
Mehr als eine Kickl-Abwehrfront
Das alles unter den Rahmenbedingungen, dass das Budget mit einem harten und konsequenten Kurs saniert werden muss. Und dass die Welten von drei Parteien zusammengeführt werden mussten. So etwas kann nicht allen schmecken und verlangt wohl auch mehr Pragmatismus als große Zukunftsversprechen. Das wissen letztlich auch die Kritiker. Nicht ohne Grund wurde „Jetzt das Richtige tun“ als Titel für den Regierungspakt gewählt.
Letztlich kann die neue Regierung nur überraschen, weil die Erwartungen an sie sehr gering sind. Sie muss deswegen beweisen, dass sie mehr als eine Kickl-Abwehrfront ist. Falls sie nicht doch noch im letzten Moment scheitert.

Kommentare