Wien-Wahl: Warum die Verluste nicht schmerzen

Wien-Wahl: Warum die Verluste nicht schmerzen
Die Regierung kann mit dem Wiener Ergebnis leben - trotz des ÖVP-Debakels. Die Chance für eine Aussöhnung mit der Stadt ist größer denn je.
Martin Gebhart

Martin Gebhart

Bürgermeister Michael Ludwig kann aufatmen – trotz der geringen Verluste. Das Stadtoberhaupt konnte sich mit seiner SPÖ bei der Landtagswahl wieder klar behaupten. Er kann sich aussuchen, wie und mit wem er regieren will. Eine Mehrheit im Rathaus geht sich sowohl mit den Neos als auch mit der ÖVP und den Grünen aus. Dass die Blauen auf Ludwigs Verhandlungszettel keinen Platz finden, war und ist klar.

Aufatmen kann auch die neue türkis-rot-pinke Koalition auf Bundesebene, denn der erste Stimmungstest seit der Regierungsbildung hat keine allzu großen Überraschungen gebracht. Vielleicht abgesehen von der ÖVP, der zwar ein Absturz prophezeit worden war. Das Ausmaß muss die Parteistrategen allerdings erschrecken. Es ist aber mehr das Problem des türkisen Spitzenkandidaten Karl Mahrer als jenes der ÖVP-Bundespartei oder gar des Regierungsteams.

Dass die FPÖ sehr stark zulegen wird, ist angesichts des Minus’ nach Ibiza 2020 kein Faktum, das der Arbeit der Bundesregierung angelastet werden kann. Dominik Nepp konnte mit seinen Freiheitlichen die 20-Prozent-Hürde nicht maßgeblich überspringen. Damit liegt er weit hinter so manch anderer FPÖ-Landespartei.

Was dieses Ergebnis für die kommende politische Arbeit bedeuten kann: Die Konfrontation zwischen Bund und Hauptstadt könnte schön langsam der Vergangenheit angehören. Man erinnere sich an das Jahr 2020, als Ballhausplatz und Rathaus sich fast täglich ein Scharmützel geliefert haben. Damals war Sebastian Kurz der türkise Kanzler, in Wien trat sein Finanzminister Gernot Blümel als ÖVP-Spitzenkandidat an. Der übersprang zwar die 20-Prozent-Hürde bei der Landtagswahl, mitregieren mit der SPÖ-Mehrheit konnte oder wollte er dennoch nicht.

Jetzt werden in der Stadtregierung mit SPÖ und Neos (bzw. ÖVP) wohl zwei Parteien sitzen, die auch in der Bundesregierung sind. Eine Koalition aus SPÖ und den Grünen gilt derzeit als die unwahrscheinlichste Variante. Ob Rot-Pink oder Rot-Türkis kommt, mit beiden Varianten kann man am Ballhausplatz leben. Das Verhältnis zwischen Michael Ludwig und dem türkisen Kanzler Christian Stocker ist pragmatisch. Für gegenseitige Sticheleien ist wenig Zeit, da man das Budgetdefizit im Bund und in der Stadt nur gemeinsam bewältigen kann. Da wird man sich zum Beispiel auch bei einer österreichweit einheitlichen Mindestsicherung finden müssen.

Die Dreier-Bundesregierung muss diese Woche ihr Sparbudget-Verhandlungen abschließen. Deren Arbeit ist dadurch erleichtert worden, dass es am Wahlsonntag in Wien keinen blauen Denkzettel gegeben hat. Das sollte ein Ansporn sein, die derzeitige Linie konsequent durchzuziehen.

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