Wahlkampf in Wien: Endlich wohltuende Langeweile

Ein bisserl langweilig wirkt er, der Wiener Wahlkampf. Aber das ist eine unfaire Zuschreibung. Tatsächlich wirkt er nämlich nur deswegen so, weil die Politikerinnen und Politiker weitestgehend davon absehen, sich gegenseitig mit sprichwörtlichem Schlamm zu bewerfen.
Das hat mehrere Gründe. Zum einen würden ÖVP, Neos und Grüne nach der Wahl gerne mitregieren und reiben sich nur so viel wie gerade nötig an der (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch künftigen) Bürgermeister-Partei SPÖ. Die FPÖ, die von den Roten als Koalitionspartner ausgeschlossen wurde, gibt sich zwar angriffig, Parteichef Dominik Nepp wird von Bürgermeister Michael Ludwig aber weitestgehend ignoriert, weswegen auch hier ein Aufschaukeln ausbleibt.
Das alles führt nun dazu, dass die inhaltliche Komponente stark ausgeprägt ist. Nachdem Schimpfen keiner mehr hören kann, muss man mit Substanz überzeugen.
Alle Parteien legen ihren Fokus mehr oder weniger auf die in Wien brennenden und meistdiskutierten Themen Bildung, Sicherheit, Migration und Gesundheit und haben dafür unterschiedliche Konzepte. Dadurch sind die vergangenen Wochen zu dem geworden, was Wahlkampf eigentlich immer sein sollte: ein Wettbewerb der besten Ideen.
Und kein Herumwühlen in den Schmutzwäsche-Laden anderer. Die Voraussetzungen sind dabei je nach Partei unterschiedlich. Die SPÖ zieht alle Trümpfe, die der große Koalitionspartner einer Regierung hat, und kann im Gegensatz zu allen anderen Projekte präsentieren, die auch tatsächlich umgesetzt werden – etwa eine große wissenschaftliche Studie, anhand derer effiziente Präventionsmaßnahmen herausgearbeitet werden sollen, um Wien zur Vorsorge-Hauptstadt zu machen.
Gleichzeitig profitieren die Roten ebenso wie die Neos davon, dass jeweils ein Politiker aus den eigenen Wiener Reihen zum Minister avanciert ist, der erste Akzente mit dem Fokus auf die bald wählende Bundeshauptstadt setzt, um den jeweiligen angestammten Parteifreunden unter die Arme zu greifen; Stichwort Deutschförderung bzw. Lobautunnel.
Die Mitbewerber sind auch nicht untätig. Die Grünen pochen auf eine Leerstandsabgabe beim Wohnen, um selbiges für alle wieder leistbar zu machen. Die FPÖ bleibt ihrem Kernthema Asyl treu. Die ÖVP will eine wissenschaftlich fundierte Erhebung des Sicherheitsgefühls der Menschen. Ja, das Wort wissenschaftlich (wahlweise auch Evaluation) kommt in mehreren Programmen vor.
Auch das ist wohltuend – weniger Aus-dem-Bauch-heraus-Politik und mehr echte Daten. Wenn nach der Wahl tatsächlich Sinnvolles für die Wienerinnen und Wiener herauskommt, kann man das fehlende Entertainment mehr als gut verschmerzen.
Kommentare