Nach Urteil des Wiener Landesgerichts: Der Scharia-Weckruf

Prozess findet am Wiener Landesgericht statt.
Fast hatte man den Eindruck, es war dem Justizministerium etwas unangenehm, dass das Scharia-Urteil des Wiener Landesgerichts für Zivilrechtssachen an die Öffentlichkeit gelangt war. So zögerlich und verschwommen waren die Reaktionen. Juristisch hatte man an und für sich kein Problem darin gesehen, dass zwei muslimische Männer ein Privatgeschäft nach diesen islamischen Regeln vereinbart haben. Geprüft werden musste vom Gericht ja nur, ob das Ergebnis des Scharia-Schiedsspruchs unserer Rechtsordnung entspricht. Das tat es, so der Spruch des Gerichts.
Der politische Aufschrei war unvermeidbar, auch von den Regierungsparteien ÖVP und Neos. Dieser Reflex ist unvermeidbar, wenn das Wort Scharia auftaucht. Er ist in dem Fall auch nicht ganz unberechtigt, weil es eine islamische Rechtsordnung ist, die Allah als oberste Instanz sieht und nicht den Staat. Dass die Anerkennung solcher Regeln durch unser Rechtssystem erfolgt, ist problematisch. Die ehemalige OGH-Präsidentin und Neos-Politikerin Irmgard Griss sieht interessanterweise kein Problem darin und ein Rechts-Professor ordnete die Kritik an dem Urteil als mangelnde Sachkenntnis ein.
Würde diese Diskussion nur im Elfenbeinturm der Justiz geführt, dann wären das überzeugende Argumente. Die politische, die gesellschaftliche Realität sieht aber anders aus und erfordert einen anderen Umgang mit diesem Problem. Auch wenn das Anlass-Urteil keinen wirklich bedeutenden Rechtsstreit betrifft.
Scharia und Integration
Die Anwendung der Scharia – und sei es nur als privates Schiedsgericht – verstärkt die Angst vieler, dass hier Parallelwelten bzw. Parallelgesellschaften verankert werden. Dieser Fall ist jetzt öffentlich geworden. Wie stark diese islamische Rechtsordnung tatsächlich in den verschiedenen Communitys angewendet wird und bereits unser Rechtssystem ersetzt, wissen wir nicht. Was wir wissen: Diese Entwicklung ist das Gegenteil der gewünschten Integration.
Das gleiche Problem in einer anderen Dimension sorgte 2024 in Wien für Aufregung. Ein Bandenkrieg zwischen Syrern und Tschetschenen hatte wochenlang die Polizei auf Trab gehalten. Plötzlich wurde dann publik, dass die Ältestenräte alles geklärt hätten. Nach dem Motto: Die Polizei und der Staat müssen da nicht eingreifen, wir regeln uns alles selbst.
Juristisch mag bei besagtem Scharia-Urteil alles in Ordnung sein, politisch ist es das nicht. Da muss es ein Weckruf sein, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass der Errichtung von Parallelgesellschaften – in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gibt es sie ja bereits – der Boden entzogen wird.
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