Österreichs Stammtisch regt sich über Nebensächliches auf

KOALITIONSVERHANDLUNGEN ZWISCHEN ÖVP, SPÖ UND NEOS: BUNDESKANZLERAMT
Über "Peanuts" wie Dienstauto, Handtasche oder Fünfsternehotel kann man sich in Österreich endlos echauffieren. Worüber es sich wirklich lohnen würde.
Martina Salomon

Martina Salomon

Als Politikerin kannst nachher eigentlich nur mehr sterben gehen“, meinte kürzlich eine Ex-Parlamentarierin und Neo-Managerin zur Autorin dieser Zeilen. Denn ein beruflicher Neubeginn nach der Politik sei vor allem für Frauen mit Hürden und Häme nur so gepflastert. Das ist schlecht. Denn Österreich braucht Menschen, die sich zumindest vorübergehend der schwierigen Aufgabe widmen, das Land wieder auf die Überholspur zu bringen. Finanziell lohnend ist das ohnehin nur für Beamte mit Rückkehrrecht in ihre Profession. Daher bevölkern so viele Lehrer und Bürgermeister das Parlament und die Regierung. Topmanager hingegen können über ein Ministergehalt nur müde lächeln: Sie verdienen in der Regel das Dreifache. (Und da reden wir noch gar nicht von Fußball: Hat sich eigentlich irgendwer über die gebotenen drei Millionen pro Jahr für den nun geplatzten Wechsel von Marko Arnautovic zu Rapid empört?) Dass sich die Spitzenpolitik dennoch selbst gerne Nulllohnrunden verordnet, spricht nur für zu viel Populismus, der leider auch anderes lähmt. Wer sich klein macht, wird auch als klein betrachtet.

Am mittlerweile meist virtuellen und daher besonders blöden Stammtisch werden lächerliche Polit-Privilegien mit Inbrunst diskutiert, die aber in Wahrheit nur symbolische Bedeutung haben: Dienstwagen und Größe der Regierung etwa. Daher hat jeder eine Meinung über Sepp Schellhorns Auto, aber niemanden interessiert, was er für den Bürokratieabbau bisher weitergebracht hat (eher nichts). Finanz- und Sozialministerium arbeiten derweil, so scheint’s, eher die Arbeiterkammer- und Gewerkschaftsagenda ab: mehr Bürokratie und weitere Kontrollen, statt Verordnungen zu streichen und Betriebe zu entlasten. Egal. Der Finanzminister erntet Lob dafür, dass er künftig einen großen Skoda fahren wird, statt des gebrauchten BMW seines Vorgängers. Der Mann weiß eben, was sich gehört. Nicht so die Landeshauptleute, die sich im Mai in einem Fünfsternehotel trafen. Aufregung! Kritischer zu betrachten wäre eher gewesen, dass man sich für die Verwaltungsreform eineinhalb Jahre Zeit genommen hat, obwohl die Vorschläge auf dem Tisch liegen.

Noch absurder wird es, wenn eine selbst bezahlte Handtasche wie bei der Salzburger Landeshauptfrau Karoline Edtstadler zum (Boulevard-)Thema wird. Wichtiger zu wissen wäre, was Edtstadler sonst noch vorhat.

Aber jetzt dürfen sich eh auch Politiker einmal eine Pause gönnen – natürlich nur superkurz (ehe die Serie der immer gleichen „Sommergespräche“ beginnt) und bevorzugt in Österreich. So tollkühn wie Bruno Kreisky, der lauthals verkündete, dass ihm Kärnten zu teuer sei und Journalisten in sein Haus auf Mallorca zum Interview bat, ist heute niemand mehr.

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