Schafft er das? Die Welt blickt auf Friedrich Merz

Wahlsieger und voraussichtlich nächster deutscher Bundeskanzler Friedrich Merz
Man muss es ja nicht gleich so düster und dramatisch sehen wie Timothy Snyder: Der auch in Wien gern gesehene US-Historiker bezeichnet angesichts der gewaltigen Umbrüche in Trumps Amerika nun Deutschland als die „wichtigste Demokratie der Welt“. Darüber lässt sich trefflich streiten, und vor allem sollten die inner-amerikanischen Widerstandskräfte gegen das Wüten des US-Präsidenten gegen die eigenen Staatsinstitutionen nicht schon nach einem Monat Amtszeit Trump abgeschrieben werden.
In einem aber hat Snyder recht: „Was bei diesen Wahlen in Deutschland passiert, wird enorme Auswirkungen auf den Rest der Welt haben.“ Entsprechend gespannt blickt die ganze Welt – auf Friedrich Merz.
Das hat kaum mit dem – sowieso nicht vorhandenen – Charme oder visionären Plänen des Chefs der deutschen Christdemokraten zu tun. Sondern mit der Rolle, die der Wahlsieger in der westlichen Welt, in der Europäischen Union, der NATO und nicht zuletzt gegenüber seinen Nachbarn wie Österreich einnehmen wird.
Im Speziellen geht es um die Rolle, die sich zumindest Europa von ihm erhofft – um eine Rolle mit Gewicht in einer Welt, die sich derzeit so schnell auf eine Weise verändert, die Europa ganz und gar nicht guttut. Zu beneiden ist er dabei nicht, der Politiker, der erst 16 lange Merkel-Jahre und dann auch noch die Ampelregierung aussitzen musste, bis er endlich Chef einer deutschen Regierung werden kann: Merz hat mit einer gewaltig stark gewordenen, in Teilen rechts-extremen AfD im Bundestag zu tun – fast jeder vierte Deutsche drückte sein Unbehagen über den gefühlten Stillstand der deutschen Politik mit einer Stimme für ganz weit rechts aus.
Und auch wenn Merz nun schwört, in seiner Kanzlerschaft nie und nimmer mit der AfD zusammenzuarbeiten, so verzeihen ihm doch Millionen Deutsche nicht, dass er Ende Jänner eine Entschließung im Parlament mit AfD-Zustimmung durchbringen konnte.
Die deutschen Wähler sind mürrisch: nur 18 Prozent glauben, dass Deutschland auf dem richtigen Weg ist. Die Wirtschaft stagniert seit einigen Jahren, und die Migrationspolitik sehen nahezu alle Bewohner des Landes als gescheitert an. Nach dem Zögern und Zaudern seines Vorgängers Olaf Scholz wird Friedrich Merz mitsamt seiner wie immer gearteten Koalitionsregierung den Deutschen endlich beweisen müssen, dass Politik in der Lage ist, etwas zu bewegen.
Und auch in der EU ist der Wunsch nach einer stärkeren, gewichtigen deutschen Stimme groß. Der Kanzler der größten europäischen Volkswirtschaft hätte durchaus die Kraft, so er denn will und sich traut, dem Treiben von Trump und Co. ein selbstbewusstes „So nicht!“ entgegenzuhalten.
Sonst macht der US-Präsident mit einem hilflos schwachen Europa letztlich wirklich, was er will.
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