Wir schrieben das Jahr 1991, ja, vergangenes Jahrtausend, ziemlich lange her also, und in Saalbach hatten sich viele Sportler und Reporter, darunter der Autor dieser Zeilen, versammelt, um die Könige der Berge zu ermitteln bzw. medial zu krönen. Die Zeiten waren schwierig. In Österreich gab es einen Bundespräsidenten namens Kurt Waldheim, der die Eröffnungsrede der damaligen alpinen Skiweltmeisterschaft hielt. In den USA saß George Bush sen. im Amt, wenige Tage vor Beginn der Wettbewerbe hatte er die Operation „Desert Storm“ gegen den Irak und zur Befreiung von Kuwait gestartet.
In der Nacht vor dem ersten Rennen flogen Kampfjets über Saalbach hinweg, den Lärm vergisst man nicht, auch nicht die Angst, ob und wie sich dieser Krieg ausbreiten könnte. Es stand sogar die Absage der WM im Raum. Dann gewann Stephan Eberharter für die Öffentlichkeit überraschend gleich am zweiten Tag Gold im Super-G (und später in der Kombi) – und plötzlich herrschte eine Euphorie im Land, die andere Probleme überlagerte. Im Verdrängen war Österreich stets besonders gut, noch besser als im Skifahren.
Aber hat sich, wenn wir den Vergleich mit 1991 bemühen, wirklich so viel geändert?
Die Welt ist mindestens so instabil wie damals, obwohl sie sich angeblich kontinuierlich weiterdreht. Im Weißen Haus sitzt ein Mann, der so gut wie alles für Dollar macht – so wie damals Bush für Öl, also auch für Dollar. Und in Österreich steht ein Kanzler im Starthaus, der bezüglich des Umgangs seiner Partei mit der Vergangenheit nicht weniger kritisiert wird als anno dazumal die Person Kurt Waldheim. Protestwähler haben beide lukriert, damals wurde der Wahlslogan „Jetzt erst recht“ berühmt.
Österreich bräuchte dringend eine Begeisterungswelle
Geschichte wiederholt sich, nur bei den sportlichen Leistungen ist das nicht so sicher. Dabei bräuchte Österreich dringend eine Begeisterungswelle nach all den Wunden, die seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sichtbar wurden. Sport verfügt interessanterweise immer noch über eine heilende und einigende Kraft, das war zuletzt auch dank des Fußballteams spürbar. Skilauf zählt in Österreich nach wie vor zu den identitätsstiftenden Faktoren, da kann man im Osten des Landes die alpine Zukunft noch so sehr krankreden. Wie ökonomisch, touristisch und offenbar auch gesellschaftlich wichtig der Skisport für das Land ist, zeigten nicht zuletzt die Corona-Verordnungen, die eine Benützung von Seilbahnen erlaubten und Parkbesuche untersagten. Eine sehr österreichische Lösung.
Österreich = Berge = Ski, das wird im Bewusstsein vieler Menschen wohl noch eine Zeit lang so bleiben. Was eine Impfspritze getrennt hat, können zwei Brettln zumindest kurzfristig vereinen. Und angeblich verhält sich der Erfolg von Populisten umgekehrt proportional zu jenem der Sportler. Mögen die ÖSV-Läufer eine goldene WM erleben!
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