Deutschland im sicherheitspolitischen Vakuum

Er will die „stärkste konventionelle Armee Europas“ aufbauen, für ihn ist Russland „die größte Bedrohung für Freiheit, Frieden und Stabilität in Europa“. „Stärke schreckt Aggression ab, Schwäche hingegen lädt zu Aggression ein“, sagte der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz mit Pathos. Und dann kam: nichts. Anders ist der deutsche Gesetzesentwurf zum Wehrdienst nicht zu beurteilen.
Wenn die „verteidigungspolitische Lage oder ein Mangel an Freiwilligen eine Wehrpflicht erforderlich mache“, könne diese vom Bundestag doch eingeführt werden. Der Mangel an Freiwilligen für die Bundeswehr ist seit Jahren Realität. Deutschland will seine aktiven Soldaten um 80.000 Mann aufstocken. Wahrscheinlicher ist, dass durch die anstehenden Pensionierungswellen nicht einmal das aktuelle Niveau von etwa 181.000 zu halten ist. Zusätzlich plant Berlin, 140.000 weitere Reservisten zu bekommen. Auf freiwilliger Basis.
Nach wie vor verzögern sich Rüstungsprojekte, verschlingt ein aufgeblähter Bürokratieapparat Milliarden, sind Kasernen marode, werden Offiziere dazu erzogen, sich vor Verantwortung und Entscheidungen zu drücken – denn wer einen Fehler macht, landet auf dem Abstellgleis. All diese Missstände hätten schon vor dreieinhalb Jahren behoben werden können. Es passierte bisher nur wenig.
All das muss Merz und seiner Regierung bewusst sein, und das lässt nur einen Schluss zu: Sie sind feige, fürchten weitere Verluste in den Umfragen, würden sie die Wehrpflicht wieder einführen. Dass sie fast täglich vor der russischen Bedrohung warnen und gleichzeitig die Bundeswehr sehenden Auges in eine immer tiefere Krise stürzen, geht sich argumentatorisch nicht aus. Das wird das Vertrauen in die Politik, die ständig von einer „Verteidigung westlicher Werte“ spricht, weiter zersetzen. Die Idee, dass man dem Staat mit dem Wehrdienst etwas „zurückgibt“, der gesellschaftliche Konsens darüber, dass eine „freie, demokratische Gesellschaft“ wehrfähig sein muss – all das verblasst in einer Zeit der Polarisierung, der Krise, der politischen Ratlosigkeit.
Dass sich Letztere in der deutschen Regierung dermaßen klar fortsetzt, setzt die Sicherheit der Bundesrepublik aufs Spiel und damit die Sicherheit Europas. Und eine Sache wird angesichts dieser Debatte auch deutlich: Eine ausgesetzte Wehrpflicht zu reaktivieren, ist – lebt man nicht in Skandinavien – eine Mammutaufgabe, für die Mut erforderlich wäre. Gut, dass die Österreicher 2013 für eine Beibehaltung der Wehrpflicht votierten. Aber auch bei uns gibt es viel aufzuholen. Der nächste dringend notwendige Schritt wäre eine Wiedereinführung der verpflichtenden Milizübungen. Ein Schritt, den auch die FPÖ im Nationalrat mittragen würde – bisher fehlte der Volkspartei der Mut dazu.
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