Die unterschätzte Gefahr
Der „zeitnahe“ Abgang von Harald Mahrer an der Spitze des Generalrats der Nationalbank stellt die OeNB vor keine echten Probleme. Das Aufsichtsgremium ist wie das vierköpfige Direktorium unter Martin Kocher voll funktionsfähig. Ein neuer OeNB-Präsident, der hoffentlich wieder aus dem Finanz- und Bankenbereich kommt und keine reine Politbesetzung darstellt, dürfte nicht schwer zu finden sein.
Vergleichsweise heikler zu bewerkstelligen ist die bei Nationalbank und Finanzmarktaufsicht angesiedelte Bankenaufsicht. Zwar haben die heimischen Institute auch den jüngsten Stresstest gut überstanden, doch drohen neue Konflikte im Bereich der Gewerbeimmobilien. Dort steigt seit Jahr und Tag die Rate der notleidenden Kredite auf mittlerweile fast acht Prozent. Und es ist absehbar, dass die Bankenaufseher im Dezember weitere spezielle Kapitalpuffer verlangen werden, um hier das Risiko teurer Ausfälle einigermaßen zu begrenzen. Sprich, die eine oder andere Bank vor sich selbst zu schützen.
Obendrein drängen die Aufseher weiter auf eine „nachhaltige“ Kreditvergabe bei Privaten, womit die eigentlich ausgelaufenen strengen Vergaberegeln der KIM-Verordnung gemeint sind – seit jeher ein rotes Tuch für die Bank-Chefs. Schließlich hat ihnen diese Verordnung in Kombination mit den gestiegenen Zinsen das Kreditgeschäft in den vergangenen Jahren ordentlich verhagelt.
Als wäre die wirtschaftliche Lage nach einer langen Flautephase mit steigender Arbeitslosigkeit, Pleitewelle, hoher Inflation und einer leeren Staatskasse nicht schon schwierig genug, droht nun auch noch das Platzen einer gewaltigen Spekulationsblase an den Börsen.
Ausgehend von den astronomischen Bewertungen der „Glorreichen Sieben“, wie die US-Tech-Giganten Amazon, Apple, Google, Facebook, Microsoft, Nvidia und E-Auto-Pionier Tesla genannt werden, droht ein Absturz der Kurse, der wohl nicht ohne Folgewirkungen für die Realwirtschaft in den USA und damit auch für Europa und Österreich bleiben kann.
Die deutsche Bundesbank warnt bereits vor den möglichen massiven Verwerfungen an den Börsen und fordert die Großbanken auf, mehr bilanzielle Verlustpuffer zu bilden. Und auch in der Nationalbank in Wien sind sich Experten im Klaren, was da potenziell auf die Wirtschaft zukommt, auch wenn darüber bisher nur am Rande gesprochen wird. Dass Österreichs Banken ausreichend kapitalisiert sind und – wie im Stresstest – auch einen Wirtschaftsabschwung um sechs Prozent aushalten können, ist eine gute Nachricht. Doch die Furcht vor einem Crash, der in kürzester Zeit Tausende Milliarden an Vermögenswerten vernichten könnte, nimmt definitiv zu.
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