FPÖ-Nationalratspräsident Walter Rosenkranz: Der Diener eines Herren?

Sei es die Verbrüderung mit den rechtsextremen Identitären, seien es gemeinsame Auftritte mit Verschwörungstheoretikern: Herbert Kickl hat die FPÖ seit 2021 radikalisiert. Der Wahlerfolg am 29. September zeigt, dass ihm das alles nicht geschadet hat, machtpolitisch bleibt es vorerst ein Pyrrhussieg. Derzeit deutet vieles darauf hin, dass die Blauen der ÖVP zu radikal geworden sind und fünf weitere Jahre in Opposition verharren.
Eine Dreierkoalition, mit türkis-rotem Fundament, soll deshalb am Wahlsieger „vorbeiregieren“. ÖVP-Chef Karl Nehammer und SPÖ-Chef Andreas Babler kommunizieren nach außen hin bereits wie Kanzler und Vizekanzler. Es dürfe „kein Weiter wie bisher“ geben, betonten beide in öffentlichen Statements.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen bekräftigt in seiner Rede am Nationalfeiertag diesen Kurs: „Wir müssen Neues wagen.“ Ob eine Regierungsbeteiligung der ÖVP, die seit 1987 im Bund regiert, etwas „Neues“ ist, sei dahingestellt. Jedenfalls neu: Auf Social Media erntet „Klassenfeind“ Nehammer plötzlich Zuspruch von Babler-Unterstützern. Man versucht, einander mögen zu lernen.
Eine offene Provokation
Die FPÖ, rechts außen liegen gelassen, avanciert dennoch zu einem stärkeren Machtfaktor. Sie hat erstmals das zweithöchste Amt im Staat inne. Der ehemalige Volksanwalt Walter Rosenkranz, für den 62 Prozent der Mandatare stimmten, ist seit Donnerstag Nationalratspräsident. „Ich bin Repräsentant aller 183 Abgeordneten“, zeigte er sich in seiner Antrittsrede versöhnlich. Ist das glaubwürdig?
Rosenkranz’ erste Aktionen bekräftigen jene, die seinen Willen zur Überparteilichkeit bezweifeln. Am Nationalfeiertag gab er dem TV-Sender Auf1 ein Interview, die Fragen stellte ein früherer Identitären-Chef. Auf1 füttert den Zuseher nicht nur mit FPÖ-Hofberichterstattung, sondern erklärt auch, welche düsteren, globalen Eliten im Hintergrund das Weltgeschehen steuern.
Anfällig für derlei Schwurbeleien ist bekanntlich auch Ungarns Premier Viktor Orbán. Etwa dann, wenn er den US-Milliardär George Soros hinter gelenkten Migrantenströmen gen Europa vermutet. Ziel: Europas „weiße, christliche Bevölkerung“ mit Migranten auszutauschen. Dass Rosenkranz ausgerechnet Orbán am Donnerstag als ersten Gast im Parlament empfängt, passt ins Bild und wirkt wie eine offene Provokation.
Ungarns Regierungschef nimmt an einer Diskussionsveranstaltung über den Ukraine-Krieg teil. Ein Treffen mit Kickl ist vereinbart, mit einem Amtsträger wie Nehammer aber nicht. Wozu also der offizielle Empfang?
Orbán habe ihn um das Treffen gebeten, die Zusage entspreche dem Naturell des Nationalratspräsidenten, beteuert Rosenkranz. Der Logik Orbáns entsprechend, könnte man genauso gut meinen: Der selbst ernannte „Parteisoldat“ Rosenkranz wirkt bereits nach wenigen Tagen im Amt fremdgesteuert – und zwar von Herbert Kickl.
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