Die Mörder der Meinungsfreiheit

US-HOMICIDE-MASS-MEDIA-POLITICS-CRIME
Wer Gewalt gegen politisch Andersdenkende rechtfertigt, vergeht sich an allen Grundsätzen der offenen Gesellschaft und der Demokratie.
Michael Hammerl

Michael Hammerl

Der US-Aktivist Charlie Kirk war ein streitbarer Mensch. Ein christlicher Nationalist und Trump-Unterstützer, der krude Thesen vertrat. Er verglich Abtreibungen mit dem Holocaust, sprach sich für die öffentliche Ausstrahlung von Hinrichtungen aus und verbreitete die Verschwörungstheorie, dass die Präsidentschaftswahl 2020 manipuliert gewesen sei. Die liberalen Waffengesetze in den USA bezeichnete er als „gottgegebenes Recht“. Dafür lohne es sich, „jedes Jahr einige Todesfälle durch Schusswaffen in Kauf zu nehmen“.

Ausgerechnet der 31-Jährige wurde am Mittwoch kaltblütig erschossen, vor laufender Kamera. „Ironie“ des Schicksals? Getreu dem Motto: Wer Wind sät, wird Sturm ernten? Wer die Kirk-Ermordung in den vergangenen Stunden auf diversen sozialen Medien verfolgt hat, gewinnt den Eindruck, dass noch viel mehr erlaubt ist.

Auch im deutschsprachigen Raum ergingen sich meinungsstarke „Geistesgrößen“ aus dem linken Spektrum in Freude und Häme. Teilten Aussagen, die an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden sollen. Sie können diese gerne auf der sozialen Plattform Ihres Vertrauens nachschmökern. Und sich vor Augen führen, dass die Kommentatoren kurz zuvor ein Video gesehen haben, wo einem Familienvater Blut aus dem Hals spritzt, bevor er zusammensackt. Nun wird der Aufstieg Donald Trumps und seiner Anhänger in vielen Erzählungen mit dem Ende der westlichen Demokratie gleichgesetzt. Welche Mittel sind erlaubt, um besagte Demokratie zu retten? Das ist keine neue Debatte. Gewalt galt extremen Gruppen wie der RAF häufig als probates Mittel im Kampf für vermeintlich Gutes.

Mit einem Kampf für Demokratie, für Menschen- oder Minderheitsrechte haben diese „Protestformen“ nichts mehr zu tun. Ihre Proponenten und jene, die

sie rechtfertigen, sind die Mörder der Meinungsfreiheit. Politische Gewalt konterkariert alles, wofür eine offene Gesellschaft stehen muss. Und apropos Ironie: Kirk war kein Anti-Demokrat, eher das Gegenteil. Er suchte die verbale Auseinandersetzung, zelebrierte Debatten mit politisch Andersdenkenden. Genau das war auch bei besagtem Event in Utah der Fall – bevor er erschossen wurde.

Heute sind die Prozesse der Radikalisierung auf Social Media in Echtzeit nachvollziehbar, verlaufen rasend schnell und enthemmt. Die Polarisierung treibt Menschen an die politischen Ränder, wo Fakten und kritischer Diskurs kaum noch eine Rolle spielen. Mit Konsequenzen: In Österreich nehmen Antisemitismus und linksextreme Gewalt zu, rechtsextreme Straftaten sind im ersten Halbjahr 2025 um schwindelerregende 40 Prozent gestiegen.

Vieles davon spielt sich im digitalen Raum ab – noch. Die USA sind bereits einen Schritt weiter.

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