Die Politik kümmert sich um eine Welt, die es nicht mehr gibt

Die Politik kümmert sich um eine Welt, die es nicht mehr gibt
Für die Zukunft des Landes müssten dringend Probleme gelöst werden. Aber nicht die, die die Politik diskutiert. Ein Zwischenruf.
Georg Leyrer

Georg Leyrer

Es gibt diese eine Welt. In der ist die politische Ausrichtung des ORF ein wirklich riesiges Problem. In der kann man die Probleme des auf Generationen verschuldeten Staatshaushalts dadurch lösen, dass man genau jene Steuern einführt, die man schon seit einem halben Jahrhundert einführen will. 

In der kann ein 9-Millionen-Einwohnerland in Europa, wenn es die Augen zumacht und es sich ganz, ganz fest wünscht, das weltweite Riesenphänomen der Migration an den eigenen Grenzen enden lassen.

Diese eine Welt ist politisch wunderbar bedient: Es ist nämlich die Welt, in der die Parteien Österreichs leben und die sie mit ihrer Politik meinen. Für diese Welt finden diese Parteien in aufgeregten Koalitionsverhandlungen die sicherlich allerbesten Vereinbarungen. Das Problem ist: Es gibt diese Welt nicht mehr. Sie ist eine Fiktion, auf die sich das Land geeinigt hat, um sich nicht mit der anderen Welt auseinandersetzen zu müssen.

In dieser anderen Welt gibt es auch Debatten um Reichensteuer und „Grenzen zu“, um Haushaltsabgaben und Bankensteuer und Tempo 150 und Spitalszusammenlegungen, klar. In dieser anderen Welt aber könnte man fast meinen, dass damit die Vergangenheit diskutiert wird. Denn dort bleibt derzeit rund um diese so inbrünstig geführten Debatten kein Stein auf dem anderen. Es ordnet sich gerade nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart neu. 

In den USA braut sich eine unheilige Allianz zwischen dem Technologiesektor und einer von jedem demokratischen Wertesystem unbeleckten Regierung zusammen, die jedem, der jemals ein Science-Fiction-Buch auch nur von außen gesehen hat, Sorgenfalten bereiten sollte.

Man rittert mit China – siehe TikTok, siehe das kurze Erschrecken über die chinesischen Fortschritte bei der Künstlichen Intelligenz – um die technologische Vorherrschaft. Klar, noch steckt die KI in den Kinderschuhen. 

Aber selbst diese rudimentären Tools, diese ersten Gehversuche lassen ahnen, welche tiefgreifenden Umwälzungen hier auf uns zukommen könnten. Und dass man weder China noch den USA hier vertrauensvoll freie Hand geben will.

Beileibe nicht die einzige entscheidende Zukunftsfrage: Man denke an Klimawandel und Migration, an die Verteidigungsfähigkeit Europas, an die Auflösung des gesellschaftlichen Zusammenhalts via Social Media mit fleißiger Hilfe Russlands.

Europa träumt derweil davon, dass seine eingelernten Wirtschaftsmodelle – Industrie, Verbrennermotorenautos, Services – weiter für Wohlstand sorgen. Und lässt sich, siehe Automobilindustrie, links und rechts überholen. Das Gleiche gilt für die Politik: Sie diskutiert die Themen von gestern mit den Lösungsansätzen von vorgestern; die Gegenwart, für die man sich jetzt rüsten müsste, kommt nicht vor. Man wird von der Politik in dieser einfach im Stich gelassen.

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