Lebensmittelpreise: Die hohe Kunst des Wegduckens
Die Teuerung bei Nahrungsmitteln bremste sich im September bei 3,1 Prozent zwar leicht ein, liegt aber immer noch um einen Prozentpunkt über jener in Deutschland. Entspannung ist nicht in Sicht, denn bei der Ursachenforschung perfektionieren Lebensmittelhersteller und Handelsketten derzeit die hohe Kunst des Wegduckens. Mit immer einfallsreicheren Argumenten. Niemand will schuld an der Teuerung sein.
„Dass der Strom nicht aus der Steckdose kommt, weiß man. Genauso kommen die Preise für Lebensmittel nicht aus dem Supermarktregal“, sagte Spar-Vorstand Markus Kaser zuletzt im KURIER-Interview. Henkel-Chefin Birgit Rechberger-Krammer versicherte zuvor, mit ihren Produkten in Österreich nicht mehr zu verdienen als in Deutschland und verwies auf die Bilanzen der Händler. Vivatis-Chef Gerald Hackl kontert mit dem bemerkenswerten Satz: „Wenn der Handel sagt, wir akzeptieren keine Preiserhöhungen, dann kann ich nur weniger hineingeben, um weiterhin an dem Produkt zu verdienen“.
Der Kanzler und die Rückfallline
Die Regierung könnte in diesem Ping-Pong-Spiel zwischen Handel und Hersteller auf Kosten der Konsumenten aktiv eingreifen, gefällt sich aber ebenfalls im Wegducken. Kanzler Stocker beharrt darauf, dass der Staat so wenig wie möglich in Preise eingreift, wie er im KURIER am Sonntag ausführte. „Das ist die letzte Rückfallline um Verwerfungen auszugleichen, aber es ist kein Rezept, das primär zur Anwendung gelangen sollte.“
Mit Verlaub. Die Verwerfungen sind längst da und der Staat greift sehr wohl in viele für den Haushalt relevante Preise ein. Beispiel Medikamentenpreise: Pharmahersteller dürfen nicht einfach ihre gestiegenen Kosten auf die Produktpreise draufschlagen, sondern müssen dies bei einer Preiskommission beantragen. Erhöhen können sie nur, wenn dies auch volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist. Die Pharmafirmen fordern eine Inflationsanpassung der im EU-Schnitt niedrigen Arzneimittelpreise in Österreich, stoßen damit bisher aber auf taube Ohren. Tankstellen unterliegen ebenfalls einem Preismonitoring, dürfen nur einmal pro Tag die Spritpreise erhöhen. Preiseingriffe gibt es auch im öffentlichen Verkehr, bei der Autobahnmaut oder bei Taxitarifen, wo Preisdeckel definiert sind.
Viel Spielraum für den Staat
Der Staat hat viele Möglichkeiten und Spielräume für eine Schiedsrichterfunktion bei der Preisgestaltung, wenn der Markt versagt. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern hielt sich Österreich bei Grundnahrungsmitteln bisher zurück. Um aus der Inflationsspirale irgendwann rauszukommen, was letztlich allen hilft, muss der Druck erhöht werden. Die Prüfung irreführender Rabatte war ein erster, wichtiger Schritt. Weitere müssen rasch folgen.
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