In der österreichischen Kulturpolitik ist der Wurm drin

BREGENZER FESTSPIELE: FOTOPROBE "DER FREISCHÜTZ"
Im Parlament werden Kunstankäufe rückabgewickelt, die Bank Austria sperrt „ihr“ Kunstforum einfach zu. Und das Schlimmste daran: Es ist allen egal.
Martina Salomon

Martina Salomon

Sind wir noch eine Kulturnation? Jein. Dieser Tage wird auf vielen Sommerbühnen wunderbar gespielt. Und dennoch geschieht im Kulturbereich Empörendes – ohne besondere Aufregung. So dreht die Bank Austria dem renommierten Kunstforum auf der Wiener Freyung den Hahn zu. Benkos Signa als Hauptsponsor ist Geschichte, und niemand in Sicht, der als Mäzen einspringen möchte. In Zeiten der Wirtschaftskrise gilt Kultursponsoring auch für Großunternehmen als verzichtbar – und für die Politik als Luxus, mit dem man keine Beliebtheitspunkte sammelt. Huch, Hochkultur?! Populisten wollen da lieber nicht anstreifen. Ende August müssen daher die Räume hinter der von Gustav Peichl gestalteten Fassade mit der goldenen Kugel „besenrein“ übergeben werden. Irgendein Supermarkt wird sich schon finden, der wieder einmal an einer so noblen Adresse einzieht.

Noch achselzuckender wurde nur noch die Rückabwicklung des Kaufs von zwei Erwin-Wurm-Skulpturen für das Parlament betrachtet. Gott sei Dank war bei der Renovierung des Hauses am Ring noch nicht die FPÖ tonangebend, sonst hätte man hier vielleicht manch „Völkisches“, aber wenig Zeitgenössisches angeschafft, wie es Hans-Peter Wipplinger, Direktor des Leopoldmuseums, als Kurator im Auftrag von Walter-Rosenkranz-Vorgänger Wolfgang Sobotka Gott sei Dank getan hat. Das Parlament wird von Besuchern gestürmt, mehr als eine Million waren es im Vorjahr. Viele Schulklassen waren dabei. Ein Ort, wo man Geschichte, Demokratie und, ja, auch Kunst erfährt. Wie schön! Und wie kulturlos, das nicht zu schätzen. Hätten Adel, Kirche und Großindustrielle einst nicht großzügig moderne Kunst gekauft, wäre Wien heute ein gesichtsloses Dorf – und andere Landeshauptstädte wären es auch.

Traurig auch, dass das Lamarr-Haus nicht verwirklicht wird. Es wäre ein architektonisches Statement und ein Luxuskaufhaus auf Weltstadtniveau geworden, das es in Wien nicht gibt. Der leise absandelnden Mariahilfer Straße hätte es gutgetan. Nun wird wohl wieder der übliche provinzielle Mix aus Wohnungen, Büros und ein paar Geschäften entstehen. Und es ist nicht zu erwarten, dass es in diesem Gebäude dann noch Raum gibt für das geplante Museumscafé als Erinnerungsort für die aus Wien stammende Hollywood-Diva und Erfinderin Hedy Lamarr. Egal, schließlich wurde ja auch gerade das Budget der Bregenzer Festspiele um 30 Prozent gekürzt, auch bei der Filmfinanzierung wird gespart.

Man stelle sich hingegen vor, das millionenteure Donauinselfest der SPÖ Wien – gestützt von stadteigenen Firmen – würde so massiv verschlankt. Aufschrei, oder? Ja, natürlich muss gespart werden. Aber Kultur ist kein Luxusgut und zählt zu den Kernwerten der Republik.

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