Der Internationale Gerichtshof spricht ein Machtwort - für den Klimaschutz

Klimaaktivisten vor dem Internationalen Gerichtshof
Werden Staaten jetzt wegen ihrer Treibhausgase angeklagt? Nein, aber der Internationale Gerichtshof weist den Weg für erfolgreichere Klimaklagen.
Ingrid Steiner-Gashi

Ingrid Steiner-Gashi

Eine nach mehr als drei Jahren Krieg in der Ukraine fast schon vergessene Katastrophe: die Sprengung des Kachowka-Staudamms. Ganze Landstriche versanken in Wassermassen, Tausende Tiere verendeten, wieder mussten Tausende Menschen fliehen, nachdem russische Soldaten den Damm im Juni 2023 gesprengt hatten. 

Dieses Verbrechen ist geradezu ein exemplarisches Beispiel für einen „Ökozid“ – also eine bewusst ausgeführte Handlung „mit erheblicher Wahrscheinlichkeit für schwere und entweder weitreichenden oder langfristigen Schäden für die Umwelt“. So lautet die offizielle Definition dieses schwersten aller Umweltverbrechen – des Ökozids. In Österreich gibt es derzeit keinen spezifischen Straftatbestand des „Ökozids“. Und noch vielweniger auf globaler Ebene.

Dass sich dies grundlegend ändern soll, dafür wird seit vielen Jahren gekämpft und gestritten. Dann könnten schwerwiegende, fatale Umweltschäden international geahndet werden. Und noch viel besser: Mit entsprechend abschreckender Wirkung, weil Sanktionen oder Milliardenstrafen drohen, könnte das ein oder andere Umweltverbrechen von vornherein verhindert werden. So weit die lang gehegte Hoffnung.

Historisches Gutachten

Das gestern in Den Haag verlesene Gutachten des Internationalen Gerichtshofes in (IGH) könnte ein wichtiger Schritt dahin sein. Der IGH zieht nicht individuelle Personen wie etwa Russlands Präsidenten Wladimir Putin zur Verantwortung, sondern nur Staaten. Und bei dem Gutachten, das die Klimakrise als „existenzbedrohend“ einschätzt, handelt sich auch nicht um eine völkerrechtlich bindende Feststellung des höchsten UN-Gerichts. 

Dennoch gilt es als politisch eminent wichtig und wird den globalen Druck massiv dafür erhöhen, dass die weltweit anhängigen Klimaklagen zu einem positiveren Ergebnis kommen. Natürlich wird der IGH nun China nicht dafür verurteilen, dass es weltweit die meisten Treibhausgase ausstößt. Und er wird schon gar nicht dafür sorgen, dass die Sprenger des ukrainischen Kachowka-Staudamms angeklagt werden. 

Aber das höchste Gericht der Welt setzt ein Zeichen, gibt auch anderen internationalen Gerichten eine Linie vor, die darauf abzielt, die großen Verschmutzer, die sorglosen Verspieler einer lebenswerten, gesunden, sauberen Zukunft für die kommenden Generationen zur Verantwortung zu ziehen. Jeder Staat hat die rechtliche Pflicht, besagt das Gutachten, wirksam gegen die Klimakrise vorzugehen.

Natürlich, das mit dem Völkerrecht ist so eine Sache – allzu oft wird es missachtet. Und auch mit diesem historischen IGH-Gutachten wird es sich nicht anders verhalten, oft wird es übergangen werden. Aber was wäre die Alternative? Weniger Rechte für unsere Umwelt? Die Antwort kann wohl nur lauten: Mehr Rechte, mehr Möglichkeiten, für ein zu rettendes Klima zu klagen.

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