Ein guter Hirte für Wien

Der künftige Wiener Erzbischof Josef Grünwidl
Josef Grünwidl bringt vieles mit, was ihn für die schwierige Aufgabe eines Erzbischofs der größten Diözese des Landes qualifiziert.
Rudolf Mitlöhner

Rudolf Mitlöhner

Lassen wir die mehrfach thematisierte und nicht wirklich befriedigend zu beantwortende Frage weg, warum es für diese Entscheidung neun Monate gebraucht hat – und schauen wir auf das, was ist, und damit in die Zukunft. Dann lässt sich sagen, dass die Erzdiözese Wien nach allem, was wir wissen, einen sehr guten Erzbischof bekommen wird, Einen, der – als gebürtiger Weinviertler – im ländlichen Raum (der einen nicht unwesentlichen Teil des Diözesangebiets ausmacht) genauso verwurzelt ist, wie er im urbanen Milieu auftreten kann. Der eine klare, schnörkellose Sprache spricht, die dennoch nicht vereinfacht und nicht polarisiert. 

Der in seinen Predigten (etwa zuletzt in Perchtoldsdorf) die örtlichen Winzer ebenso erreicht wie das akademische Publikum. Der die reiche Tradition der Kirche, die Schönheit ihrer Liturgie schätzt und selbst würdevoll repräsentiert, aber nicht als Selbstzweck (und schon gar nicht aus Eitelkeit), sondern als Ausprägung des Glaubens und als Mittel zum Zweck der Verkündigung des Evangeliums.

Josef Grünwidl und das "politische" Evangelium

Gewiss, das Amt des Erzbischofs von Wien, welches Josef Grünwidl übernimmt, ist etliche Schuhnummern größer als alles, was der 62-Jährige bisher gemacht hat. Die Probleme der katholischen Kirche erscheinen in den europäischen Metropolen wie unter einem Brennglas gebündelt. Die nackten Zahlen – Abnahme der Katholiken, Zunahme der Konfessionslosen wie der Muslime – spiegeln den Relevanzverlust der einst kultur- und gesellschaftsprägenden Institution wider. Dass dem nicht mit Änderungen bei den Zulassungsbedingungen zum Weiheamt (die sogenannten „heißen Eisen“) beizukommen ist, weiß auch – der in diesen Fragen gewiss nicht konservative – Grünwidl. Selbst der prononciert reformorientierte Pastoraltheologe Paul Zulehner wünschte dem künftigen Erzbischof in einem Radiointerview, dass er sich nicht zu viel mit diesen notorischen Themen herumschlagen müsse und stattdessen „Hoffnungsressourcen in die Welt hinein“ vermitteln könne.

Spannend wird zu sehen sein, wie sich Grünwidl politisch positioniert. Es heißt ja immer, das Evangelium selbst sei „politisch“, aber das tagespolitische Geschäft, erst recht die Parteipolitik, sei nicht Sache der Kirche. Das stimmt im Prinzip. Und dennoch ist man in der Position des wichtigsten katholischen Kirchenmannes Österreichs auch ein politischer Player. Der Grat aber, auf dem man sich hier bewegt, ist ein schmaler: Wo beginnt die Instrumentalisierung, wo enden inhaltliche Überschneidungen bzw. punktuelle Allianzen mit politischen Parteien? Die „Abgrenzung nach rechts“ allein reicht sicher nicht aus, um auf der „richtigen“ Seite zu stehen. Indes, Grünwidl ist auch in diesen Fragen das notwendige Gespür zuzutrauen. Es spricht viel dafür, dass sich am Ende das lange Warten gelohnt haben wird.

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