Gewalt gegen Frauen: Einander in die Pflicht nehmen
In dieser Trafik in Wien wurde Nadine W. von ihrem Partner ermordet.
An 16 Tagen im Jahr blickt die Welt auf Männergewalt. Pressekonferenzen werden abgehalten, Kampagnen gestartet, Gebäude leuchten orange – und da sich zu wenig ändert, werden jährlich ähnliche Forderungen gestellt. Die „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ sind zur internationalen Routine geworden, sie sollen Bewusstsein schaffen.
Denn die Realität zeigt uns: Frauen sterben, weil Männer gewalttätig sind. Frauen flüchten aus ihren Wohnungen, weil das Zuhause der gefährlichste Ort für sie ist. Frauen schweigen, weil die Scham oft größer ist als das Vertrauen, ernst genommen zu werden. Im Jahr 2024 wurden österreichweit 14.583 Betretungsverbote ausgesprochen, die meisten gegen Männer. Frauen haben Angst, sich von gewalttätigen Partnern zu trennen, da diese Phase tödlich für sie sein kann. In über 80 Prozent der heimischen Femizidfälle der vergangenen zehn Jahre stand eine Trennung vonseiten der Frau im Raum oder sie hatte sich kurz zuvor getrennt. Diese Männer nennen oft Eifersucht als Motiv. Doch Eifersucht ist selten das echte Motiv, sie ist der Vorwand für eine Haltung, bei der Frauen als Besitz betrachtet werden.
Hinter jedem dieser Morde steht ein Leben, das ausgelöscht wurde. Kinder, die plötzlich keine Mutter mehr haben. Und eine Gesellschaft, die jedes Mal sagt: „Das darf nie wieder passieren!“ – bis es dann doch wieder passiert.
Bewusstsein ist wichtig, denn männliche Gewalt beginnt nicht beim ersten körperlichen Übergriff. Sie entsteht viel früher, nämlich durch tradierte Rollenbilder und bei der Vorstellung von Männlichkeit, die Empathie als Schwäche abwertet. Wir leben immer noch in Strukturen, die Machtungleichheiten zwischen den Geschlechtern festigen. Gewalt gegen Frauen zeigt sich aber auch, wenn häusliche Gewalt als Beziehungsstreit abgetan wird, in überfüllten Frauenhäusern, sexistischen Äußerungen oder bei unterfinanzierten Frauenberatungsstellen.
Die Leidenschaft, mit der Menschen für 90 Minuten dem Spiel einer Fußballmannschaft folgen, zeigt, wie viel Kraft in kollektiver Begeisterung steckt. Wenn ein Bruchteil davon in den Einsatz für Frauenrechte investiert würde, wären wir als Gesellschaft einen großen Schritt weiter. Gewalt gegen Frauen zeigt sich auch in der Erwartung, dass Frauen selbst jene Arbeit leisten sollen, die eigentlich bei den Männern beginnen müsste. Veränderung entsteht dann, wenn Männer ihr eigenes Verhalten reflektieren – und einander in die Pflicht nehmen, wenn sie Fehlverhalten bemerken: im Freundeskreis, in der Familie, am Arbeitsplatz.
Es braucht Männer, die Verantwortung übernehmen. Und das nicht nur an 16, sondern an 365 Tagen im Jahr.
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