Die Doppelmoral des Oskar Deutsch

Es gibt Ansätze einer Pogromstimmung. Hass, Bedrohungen, Gewalt: Berichte über Angriffe auf Juden nehmen europaweit zu. Auf Kreta attackierten kürzlich „propalästinensische“ Demonstranten ein israelisches Kreuzfahrtschiff, bewarfen Touristen mit Flaschen. Dass Antisemitismus immer stärker grassiert, bestätigen Meldestellen und Umfragen – auch in Österreich. 2024 stieg die Zahl gemeldeter antisemitischer Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr um 32,5 Prozent.
Wie sich das in der Realität abbildet, schilderte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Dienstagabend in der ZiB 2. „Watschen“ für Juden im Supermarkt. Taxifahrer, die keine Juden mitnehmen. All das verdeutlicht nur, dass Österreichs Holocaust-Gedenkkultur kein Selbstzweck ist. Der Brandbeschleuniger dieses wachsenden Antisemitismus ist der Gaza-Konflikt.
Zur Erinnerung: Dessen Auslöser in der aktuellen Vehemenz war der 7. Oktober 2023, als die Terrororganisation Hamas 1.182 Zivilisten niedermetzelte. Dieser größte Massenmord an Juden seit dem Holocaust scheint ja langsam in Vergessenheit zu geraten, genauso wie die verbliebenen wohl 50 israelischen Geiseln in Händen der Hamas.
Ein anderes Verbrechen, und dessen Ausmaß wird immer deutlicher, ist die Art und Weise von Israels Reaktion. Stimmt, die Hamas benutzt vorzugsweise zivile Infrastruktur als Schutzschild. Es ist schlicht unmöglich sie zu bekämpfen, ohne Zivilisten zu schaden. Das rechtfertigt aber nicht die Blockade von Hilfslieferungen, die Tötung von Menschen an Verteilzentren und Israels Mitschuld an der Hungersnot.
Bei diesem Punkt hat sich Deutsch in der ZiB 2, während er gegenüber Juden „Doppelmoral“ ortete, einer ebenso absurden Doppelmoral bedient. Eingangs meinte er noch, Kritik an Israel sei in Ordnung. Um danach salopp quasi alle Kritiker zu diskreditieren. Seien es europäische Regierungen, das Rote Kreuz, Ärzte ohne Grenzen oder die UNO. Deutschs Stehsatz zu sämtlichen Vorwürfen gegen Israel: „Das wissen wir nicht.“
Klarstellung: Gerade bei der Hungersnot ist davon auszugehen, dass auch verfälschte Bilder im Umlauf sind. Aber die Masse an Indizien ist erdrückend. Folgt man wiederum Deutschs Worten, ist die einzige verlässliche Quelle im Gaza-Konflikt Israel selbst. Glaubt er das wirklich, oder ist der Druck auf den IKG-Vertreter seitens der Netanjahu-Regierung so groß, dass er deren Propaganda verbreiten muss?
Die Palästina-Debatte findet seit jeher in Extremen statt. Doch mittlerweile droht – übrigens beidseitig – eine Zuspitzung, die den Wert menschlichen Lebens grundsätzlich infrage stellt. Deutsch hat hier einen sehr fragwürdigen Beitrag geleistet. Und hat gerade mit seiner Art der Israel-Verteidigung den Israel-Kritikern Munition geliefert.
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