Die Stunde des Bundespräsidenten

Die Stunde des Bundespräsidenten
In der Hofburg ist derzeit Schweigen angesagt. Nach dem 29. September wird aber ein sehr aktiver Bundespräsident notwendig sein.
Martin Gebhart

Martin Gebhart

Wie wird die Wahl am kommenden Sonntag ausgehen? In den verschiedensten Gesprächsrunden – gleichgültig auf welcher Ebene – ist das derzeit die meist gestellte Frage. 

Die jüngsten Umfragen sehen noch immer FPÖ-Chef Herbert Kickl an der ersten Stelle. ÖVP-Kanzler Karl Nehammer ist ihm aber schon sehr, sehr nahegekommen, während SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Babler auf dem dritten Platz festgefahren sein dürfte. Nimmt man die Schwankungsbreiten her, die die Meinungsforscher bei diesen Ergebnissen ausweisen, dann ist noch sehr viel möglich.

Dementsprechend ratlos blicken viele Politbeobachter auf den 30. September. Kaum jemand kann sich angesichts der hohen Hürden, die ÖVP, FPÖ und SPÖ gegenseitig errichtet haben, vorstellen, dass nach dem Wahltag eine vernünftige Koalition mit Veränderungswillen und nicht bloß eine, die den gerade noch möglichen kleinsten gemeinsamen Nenner zum Regierungsprogramm erklärt, das Ruder im Staat übernimmt. 

Dazu kommen die persönlichen Barrieren zwischen den Spitzenkandidaten der drei größten Parlamentsparteien, die vielleicht sogar mehr wiegen als die inhaltlichen Differenzen. Vorausgesetzt, Karl Nehammer, Herbert Kickl oder Andreas Babler sitzen nach dem Wahlsonntag überhaupt noch am Verhandlungstisch.

Entscheidend wird sein, wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit dieser schwierigen Ausgangslage umgehen wird. Vor etwas mehr als einem Jahr sorgte er innenpolitisch für große Aufregung, als er in einem Interview angedeutet hat, dass es nicht ausgemachte Sache ist, wer mit Sondierungsgesprächen oder gar Regierungsverhandlungen beauftragt wird. Sprich: Es könnte sein, dass er Herbert Kickl übergeht. Auch wenn die FPÖ am 29. September stimmenstärkste Partei wird.

Zuletzt hat es dazu aus der Hofburg keinerlei Wortmeldungen mehr gegeben. Vielleicht auch aus der Erkenntnis heraus, dass man der FPÖ mehr hilft als schadet, wenn man sie um jeden Preis verhindern will. Deshalb würde Alexander Van der Bellen auch gut daran tun, die Usance, der stärksten Fraktion einen Auftrag zu erteilen, nicht zu verlassen.

Genauso wichtig ist, dass sich die Präsidentschaftskanzlei nach der Wahl nicht zu passiv verhält. Es wäre angesichts der schwierigen Ausgangsposition schon gut, wenn Alexander Van der Bellen die Koalitionsbildung ein wenig moderiert. Dass er das kann, hat er nach dem Ibiza-Skandal bewiesen. Da hat er umsichtig und konsequent darauf geschaut, dass der Staat trotz der politischen Lähmung regiert wird. Nach dieser Wahl muss er darauf schauen, dass nicht bis zum St. Nimmerleinstag verhandelt wird. Das würde die angespannte wirtschaftliche Lage noch mehr verschlechtern.

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