Nach 100 Jahren: Aus für das Amtsgeheimnis

THEMENBILD: GERICHTSAKTEN / KOSTEN FÜR AKTENKOPIEN BEI GERICHT
Die Informationsfreiheit ist einer der Leuchttürme der ehemaligen türkis-grünen Regierung. Und ein Hoffnungsschimmer für die Zukunft.
Martin Gebhart

Martin Gebhart

Wenn derzeit über die türkis-grüne Vorgängerregierung gesprochen wird, dann schwingt da fast immer ein negativer Unterton mit. 

In erster Linie wegen des riesigen Budgetlochs, das hinterlassen worden ist und die türkis-rot-pinken Nachfolger zu drastischen Sparmaßnahmen zwingt. Was weniger oft zur Sprache kommt: In den vergangenen fünf türkis-grünen Jahren wurden auch historische Leuchttürme gesetzt, die davor kaum jemand für möglich gehalten hatte.

Ein Beispiel ist die Abschaffung der Kalten Progression, die bis dahin dafür gesorgt hatte, dass das Plus bei Lohnerhöhungen in erster Linie in den Steuertopf wanderte. Die Ungerechtigkeit dieses Systems war jahrzehntelang scharf kritisiert worden, ÖVP und Grüne haben die Schieflage letztlich beendet. 

Der Wermutstropfen für die beiden Parteien: Politischen Dank gab es dafür bei den darauffolgenden Wahlen keinen.

Ein weiteres Beispiel ist die Abschaffung des Amtsgeheimnisses. 100 Jahre hat diese fehlende Transparenz in der Verfassung überdauert, mit 1. September ist sie jetzt Geschichte. Die Beharrlichkeit des österreichischen Beamtentums in dieser Frage zu überwinden, war eine Herkulesaufgabe, an der schon etliche Regierungen gescheitert waren. Möglich wurde es, da Ex-Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Ex-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) die Informationsfreiheit zu ihrem wichtigsten Projekt machten und auch den Gemeindebund miteinbezogen. 

Mit dem Ergebnis, dass alle Kommunen unter 5.000 Einwohnern von der proaktiven Informationspflicht befreit sind. Das hat zwar nicht allen geschmeckt – so haben die Neos deshalb dagegen gestimmt –, es war aber für die Akzeptanz dieses wichtigen Schrittes notwendig. Diese kleinen Gemeinden haben eben nicht den Verwaltungsapparat, auf den größere Einheiten zurückgreifen können.

Die künftige Auskunftspflicht ist jedenfalls ein sehr großer Schritt in Richtung mehr Transparenz. Dass der Verwaltungsapparat in vielen Fällen noch unsicher ist, ob und wann er Informationen weitergeben darf oder ob dadurch der Datenschutz verletzt wird, liegt auf der Hand. Das wird von nun an nicht nur die Behörden, sondern sicherlich auch die Gerichte beschäftigen. Andererseits ist bei so einem großen Schritt schon mit einberechnet, dass ständig Evaluierungen notwendig sein werden.

Für die nun anstehenden Reformen kann das Informationsfreiheitsgesetz Hoffnung geben, wenn es um das Überwinden von alten, verknöcherten Strukturen geht. Etwa im zersplitterten Gesundheitswesen, das Unmengen an Geld verschlingt und dennoch nicht die gewünschte Qualität bietet, weil die verschiedenen Stakeholder nur auf das Verteidigen ihrer Pfründen bedacht sind.

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