Wie Jewgeni Prigoschin (oder vielleicht doch einer seiner Doppelgänger) ums Leben kam, könnte aus einem Mafiafilm stammen. Der Antiheld, der sich gegen die korrupte Militärführung aufschwang, der es mit dem unantastbaren Kreml aufnahm, wie ein Rohrspatz schimpfte und ein beinah kindliches Faible für Verkleidungen hatte (man erinnere sich an die Bart- und Perückensammlung): Das ist bestes Kassenschlager-Material.
Nur: Prigoschin war kein Volksheld, auch in Russland nicht. Er war ein Kriegsverbrecher übelster Sorte. Einer, der Vergewaltigungen als legitime Kriegstaktik ansah, der „Verräter“ aus den eigenen Reihen mit dem Vorschlaghammer erschlagen ließ und dabei auch noch lachte. Das machte er alles mit dem Sanktus des Kremlherrn – und wurde so zuletzt zum erschreckendsten Auswuchs von Putins System.
➤ Jewgeni Prigoschin: Getötet oder untergetaucht?
Dass Putin seine „Erfindung“ mitsamt der Wagner-Führungsriege nun liquidiert haben dürfte, nachdem sie ihm nicht mehr nützlich war, ist eine Warnung an alle, die glaubten, Prigoschin sei mit seiner irrwitzigen Fahrt gen Moskau durchgekommen. Alle potenziellen Putschisten sollen wissen: Gnade gibt es in Putins Russland nicht mehr, alles richtet sich nach den Launen des Kremlchefs.
Auch für uns sollte das eine Lehre sein: Deals mit Putin gibt es nicht. Er hat seine Versprechen bei der Annexion der Krim gebrochen, er hat die Minsk-Vereinbarungen am Tag nach ihrer Unterzeichnung untergraben, er hat seine Soldaten auf die Ukraine gehetzt, obwohl er Tage zuvor noch anderes versichert hat. Einer wie er lässt sich durch westliche Beschwichtigungen oder Zugeständnisse (noch immer ist die Rede vom „gesichtswahrenden Ausweg“) nicht aufhalten. Im Gegenteil: Im Kreml wird diese Taktik als Feigheit angesehen. Der Westen hat noch immer nicht verstanden, dass Russland ein zutiefst dysfunktionaler Staat ist. Putin hat Gewalt zur Kulturtechnik gemacht, für die Bevölkerung sind Vorkommnisse wie Prigoschins Tod mittlerweile normal. Verlassen kann man sich nur auf sich selbst: Das öffentliche Leben beruht auf Korruption, Günstlingswirtschaft und Angst.
Ob Putin sich seine Macht so gesichert hat, ist fraglich. Denn die Grabenkämpfe im Militär hat er mit seinem Fingerzeig nicht beendet, schließlich sicherte er sich schon immer seine Macht, indem er die Eliten gegeneinander ausspielte. Jetzt, wo alle wissen, dass man sich auf Deals mit ihm nicht verlassen kann, heißt das: Wer sich mit Putin anlegen will, muss bis zum Ende gehen, also knallhart seine eigenen Interessen durchsetzen. Das gilt für potenzielle Putschisten genauso wie für die Ukraine und den Westen.
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