Migranten in die Politik

Zugegeben: Die Performance der britischen Politik der letzten Monate (vielleicht auch Jahre) lässt tatsächlich zu wünschen übrig. Brexit, Johnson, Durchzug in der Downing Street – war schon wesentlich besser, nicht wahr?
Aber eines muss man den Briten lassen: Ihre politische Elite ist ein Abbild der Gesellschaft, nicht nur ein Abbild althergebrachter Machtstrukturen. Rishi Sunak ist der erste nichtweiße Premier des Landes, er ist auch noch Hindu, er hat Kabinettsmitglieder mit nigerianischen und indischen Eltern. Dazu haben zehn Prozent der britischen Unterhausmandatare Migrationshintergrund, das ist fast so viel wie in der Bevölkerung.
Und bei uns? Da sitzen mehr Bauern und Juristen im Parlament als Migranten. Nur fünf Prozent der Abgeordneten haben Wurzeln im Ausland; wäre das Hohe Haus ein echtes Abbild der österreichischen Realität, müssten es fast ein Viertel sein.
Woran das liegt, darüber kann man philosophieren. Dass die britische nationale Identität etwa nicht an der Staatsgrenze endet, sondern sich – dank imperialer Vergangenheit – immer als global begriffen hat. Dass auf der Insel, salopp gesagt, in jedem Inder immer ein potenzieller Brite gesehen wurde (wenn auch ein nicht ganz gleichwertiger, sei dazu gesagt). Das haben wir in Österreich nicht: Bei uns fremdelt man mit den eigenen Migranten, ganz im Wortsinn, und ein wenig wohl auch mit der eigenen Identität.
Nur: Auch in Großbritannien wurde Sunak nicht nur Premier, weil die Gesellschaft dort vielleicht weltoffener und partizpativer ist. Der Grund ist schlichte Polit-Strategie: Ex-Premier David Cameron (also jener Mann, der den Briten auch den Brexit beschert hat) holte nach seinem Antritt als Konservativen-Chef 2005 ganz bewusst Migranten in die Partei. Er ließ sie bewusst in aussichtsreichen Wahlkreisen kandidieren, nahm auch parteiinterne Widerstände in Kauf. Das simple Ziel: neue Wählerstimmen.
Er ermöglichte damit jenen Migranten den Aufstieg, die das konservative Leistungsideal leben, die hart arbeiten, um etwas zu werden. Die gibt es bei uns auch, nur politisch präsent sind diese Menschen – und es sind viele! – so gut wie gar nicht. Die Politik verlangt von Zugewanderten zwar gebetsmühlenartig, Leistung zu zeigen, belohnt wird das aber nicht. Die Politik wird so ihren eigenen Prinzipien nicht gerecht.
In der Wirtschaft würde sich so eine Firmenpolitik höllisch rächen. Die Gesellschaft ist da duldsamer, im Endeffekt aber birgt das konsequente Wegschauen und Beharren auf alten Machtstrukturen ordentlichen sozialen Sprengstoff. Der Frust über die Politik wächst, die Distanz zu „denen da oben“ wird nur größer. Dem eigenen Machterhalt ist das nicht gerade dienlich.

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