Integrationspolitik: Österreicher ist, wer es sein will

Integrationspolitik: Österreicher ist, wer es sein will
Die Bevölkerung steht der Integrationspolitik reserviert gegenüber. Das ist verständlich, aber Moralisieren hilft nicht. Es fehlt eine Erzählung.
Christian Böhmer

Christian Böhmer

Die Integration funktioniert nicht. So denkt, zusammengefasst, die überwiegende Mehrheit in diesem Land. Sieben von zehn Menschen sind überzeugt, die Aufnahme der Zuwanderer klappe „schlecht“ bis „ganz schlecht“. Und mehr als zwei Drittel hegen grobe Zweifel, ob das Land die Zuwanderung überhaupt noch stemmen kann.

Nun lässt sich lange darüber streiten, ob die gemessene Angst in einem vernünftigen Verhältnis zur Größe der Probleme steht. Was die bescheidenen Deutschkenntnisse in den Volksschulen angeht, ist die Sorge ohne Zweifel berechtigt; bei der Behauptung „Die Zuwanderer sind schuld an unseren Missständen im Sozial- und Gesundheitssystem!“ ist demgegenüber Vorsicht geboten.

Doch jenseits der Details stellt sich auf der Meta-Ebene die Frage: Was ist zu tun, wenn die satte Mehrheit der Menschen ein derart massives Unwohlsein umtreibt?

Mit fingerzeigendem Moralisieren frei nach dem Motto „Ihr seid halt einfach zu intolerant!“ ist es nicht getan.

Aber vielleicht fehlt Österreich einfach etwas Neues. Eine große Erzählung zum Beispiel.

Das deutsche Bundesland Hessen wirbt im In- wie Ausland mit einem schlichten Satz: „Hesse ist, wer Hesse sein will.“ Sechs Wörter genügen, um eine politische Haltung zu umschreiben. Sie besagt: Zu dieser unserer Gemeinschaft gehört, wer bei ihr dabei sein möchte.

Bei diesem Ansatz klingen schon Selbstbewusstsein und Stolz mit. Die Zugehörigkeit wird nicht plump an unabänderliche Tatsachen wie die Geburtsurkunde geknüpft, sondern an den Menschen selbst. Entscheidend ist, was er oder sie denkt und tut. Im Positiven – also im Sinne eines „Ich will mich hier beteiligen!“ – genauso wie im Negativen: Wer sagt, „Ich will nicht Teil eurer Gesellschaft sein“, der ist es nicht – mit allen Konsequenzen.

Das Bestechende an Hessens Credo: Es richtet sich an „Eingesessene“ genauso wie an Zugewanderte. Wer sich Kultur, Werten, Sprache und vor allem: wer sich den Menschen einer Region verbunden fühlt, der gehört dazu. Ganz selbstverständlich. Das ist eine jeden willkommen heißende, gleichzeitig aber alle fordernde Logik.

Österreich fehlt das. Es gibt zu wenig, was die hier Lebenden mit den Zuwanderern verbindet.

„Österreicher ist, wer Österreicher sein will“: Wie sähe das Land wohl aus, wenn alle Bereiche der Gesellschaft von diesem Geist durchzogen wären?

Würden sich Zugewanderte schneller zugehörig fühlen? Hätten die hier schon Ansässigen weniger Furcht?

Garantien dafür gibt es keine, aber einen Versuch ist es allemal wert, denn: Viel übler als jetzt kann die Stimmungslage ohnehin nicht mehr werden, oder?

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