Eine Brandmauer diskriminiert Wähler und gefährdet Demokratie

CDU-Chef Friedrich Merz (re.) schließt trotz Annäherung in Asylfragen weiterhin eine Koalition mit der AfD (Alice  Weidel, Bild) aus
Das Ziel, die AfD durch Ausschließung kleinzuhalten, wird deutlich verfehlt. Ein Gastkommentar von Christian Tesch.

Es habe einen Grundkonsens gegeben, dass die „demokratischen Parteien“ in keiner Form mit extremen Rechten zusammenarbeiten würden. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz trommelt das ständig – vom Fernsehduell bis zum Quadrell. Ein Credo, dem nicht nur linke Parteien, sondern auch die CDU anhingen. Während die AfD beständig stärker wurde.

US-Vizepräsident JD Vance sieht es deutlich anders: Die Demokratie sei gefährdet, wenn man Wählergruppen und deren Vertreter aus dem politischen Prozess ausgrenze. Demokratie bedeute, den Menschen Weisheit zuzugestehen. So sprach er bei der Münchner Sicherheitskonferenz.

Eine Brandmauer diskriminiert Wähler und gefährdet Demokratie

Christian Tesch

Zumindest in dieser Hinsicht hat er einen Punkt. Denn die „Brandmauer“ bedeutet zweierlei: Erstens wird eine in den Deutschen Bundestag gewählte Partei als undemokratisch bezeichnet – eine gewagte Aussage in einem gefestigten demokratischen Rechtsstaat, wie es Deutschland wohl ist. Dieser hätte Instrumente, tatsächlich undemokratische Parteien mit rechtsstaatlichen Verfahren zu verbieten. Ein bloßer Meinungskonsens der Eliten ist dafür allerdings zu wenig. Zweitens – und wichtiger – wird eine Bevölkerungsgruppe aus dem demokratischen Diskurs ausgeschlossen. Eine große Gruppe, ob es uns gefällt oder nicht: Bei der letzten Bundestagswahl hatte die AfD 4,8 Millionen Stimmen, heuer könnten es doppelt so viele werden. Sie auszugrenzen, ist eine ungerechtfertigte Diskriminierung und in höchstem Grade antidemokratisch, ja demokratiegefährdend.

Denn Demokratie heißt „Volksherrschaft“. Sie zu verteidigen, erfordert intellektuelle Redlichkeit und echte demokratische Gesinnung. In einer Demokratie kann man nicht inhaltlich Unliebsames pauschal als antidemokratisch abqualifizieren, auf Dauer Politik gegen Mehrheitsmeinungen machen. In diesem Wesen der Demokratie liegt ihre Überlegenheit gegenüber anderen Herrschaftsformen.

Dass das Ziel der Brandmauer-Anhänger, die AfD kleinzuhalten, verfehlt wird, ist evident. Deutsche Landtagswahlen und aktuelle Umfragen sprechen eine klare Sprache. In vielen europäischen Ländern sind extreme Rechte auf Erfolgskurs, oft auch in Regierungen. Hingegen sehen wir in Österreich: Unter der Last der Regierungsverantwortung ist die FPÖ dreimal an sich selbst gescheitert. 1987 in der rot-blaue Bundesregierung am Putsch Haiders, 2002 am Putsch von Knittelfeld und 2019 an der fehlenden Bereitschaft, Konsequenzen aus dem Ibiza-Video zu ziehen.

Eine demokratisch legitime und erfolgversprechende Brandmauer wäre eine Politik, die Meinungen und Anliegen, Ängste und Sorgen – von Migration über den Verlust kultureller Identität bis hin zu Bevormundung und Freiheitseinschränkung – aller Wählerinnen und Wähler wahrnimmt und ernst nimmt. Eine Politik, die nicht ausschließt, sondern einbindet, die nicht diskriminierend ist, sondern inklusiv.

Christian Tesch ist selbstständiger Politikberater, war in verschiedenen Positionen im politischen Management tätig, zuletzt als Direktor der Politischen Akademie der Volkspartei.

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