Demokratie ist in der Krise

FERNKÄLTE: VOM DONAUKANAL BIS INS PARLAMENT
Sie gedeiht nur bei Bestehen einer kulturellen Zugehörigkeit. Ein Gastkommentar von Rudolf Taschner.

Demokratie ist in der Krise. So tönt es seit jeher, und heute umso lauter, da – egal von welcher politischen Seite – die Tugend der Duldsamkeit gegenüber Andersdenkenden dem gnadenlosen Anspruch auf Meinungshoheit unterliegt. Und wer diese Macht verliert, empört sich und beklagt zugleich den Verfall der Demokratie. Denn demokratisch, das ist das Adjektiv, mit dem sich Meinungsbildner schmücken. Es verleiht ihnen den Anschein, Wahrheit gepachtet zu haben. Und populistisch ist das Adjektiv, welches sie ihren Gegnern anheften. Damit werden jene denunziert, denen Falschheit wie ein Kainsmal eingebrannt wird. Schon vom Wortsinn her skurril. Der griechische Demos ist nämlich das gleiche Volk wie der lateinische Populus.

Rudolf Taschner

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Trotzdem: Demokratie ist in der Krise. Denn einerseits erwarten viele von ihr mehr, als ihrem Wesen entspricht. Sie erhoffen, dass demokratisch getroffene Entscheidungen gut und richtig sind. „Der Wähler hat immer recht“ hört man oft nach Wahlen. Nur stimmt das schlichtweg nicht. Richtig wäre zu sagen, der Wähler habe sein Machtwort gesprochen. Und die vom Machtwort des Demos befugten Politiker haben das aus ihrem Sinne für eben diesen Demos Beste in die Wege zu leiten. Inwieweit der Demos dies für richtig und gut befindet, inwieweit er die Ankündigungen und Wahlversprechen für richtig und gut einschätzt, entscheidet er bei der nächsten Wahl. Inwieweit dies alles tatsächlich richtig und gut ist, spielt keine Rolle – kann es auch nicht. Denn wer sollte das wissen?

Andererseits drohen die Voraussetzungen für das Gelingen demokratischer Entscheidungen zum Wohle des Staates zu verkümmern: Demokratie gedeiht nur in einem Staat, in dem Wohlstand herrscht und für die Zukunft gewährleistet ist. Wenn jedoch Fehlentscheidungen, die verführerisch scheinen, Wirtschaft und Finanzen übermäßig belasten, droht verheerender Wohlstandsverlust.

Demokratie gedeiht nur in einem Staat mündiger Bürger. Wenn jedoch sogenannte soziale Medien und andere Einflüsse betreuten Denkens um sich greifen, machen sich Entmündigung, Infantilisierung und Radikalisierung breit. Demokratie gedeiht nur bei Bestehen einer gemeinsamen Lebensart im Sinne kultureller Zugehörigkeit. Wenn jedoch diese entschwindet, zerbricht die Basis für den rücksichtsvollen Dialog, der trotz verschiedenster Ansichten immer zu führen ist. Doch das eigentliche Problem ist damit noch gar nicht angesprochen.

Der eminente Historiker Golo Mann formulierte treffend: Es liegt darin, außergewöhnliche Menschen von gewöhnlichen wählen zu lassen. Demokratie ist dann stark, wenn der Demos historisch gebildete, phantasiereiche, integre und engagierte Persönlichkeiten für sich gewinnt und an seine Spitze setzt, die Mut, Gewissen und Weitsicht in überragender Weise besitzen. Wir wollen hoffen, dass dies der Demokratie in Österreich gelingt.

Rudolf Taschner ist Mathematiker und war Bildungssprecher des ÖVP-Parlamentsklubs

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