Es ist interessant zu beobachten, wie andere europäische Großstädte ihre alte Bausubstanz pflegen, Zerstörtes zum Teil wieder errichten – etwa den Budapester Burgpalast, das Berliner Schloss, die Prager Mariensäule. Der Eislaufverein am Wiener Heumarkt (einer der ältesten der Welt) hätte ein Kandidat dafür sein können: Er wäre mit der Jugendstilarchitektur von 1900 eine Sensation. Doch das Innenministerium verkaufte das Gelände viel zu billig an eine Wiener Wohngesellschaft, die es dann an Investor Tojner veräußerte.
➤ Mehr lesen: Heumarkt: Neue Projektpläne in Wien vorgestellt
Nachdem dessen ursprünglicher Plan am Widerstand der UNESCO scheiterte, unternimmt er nun einen neuen Anlauf und präsentierte jüngst eine glanzlose „Wohnscheibe“. Ihre Riesenhaftigkeit unweit des noch unförmiger geplanten Hotel Intercontinental wird auf der Computersimulation von Büschen bemäntelt, die unrealistischerweise quasi aus jedem Fenster wuchern. Ein „grünes“ Projekt – aber auch an der umgebenden Wiese und den Bäumen auf dem Pressebild darf ruhig gezweifelt werden: Das lässt sich mit einem Eislaufplatz nicht vereinen – auch wenn für den Neubau sogar die Lothringerstraße vor das Akademische Gymnasium verlegt wird.
Solche bewusst irreführenden Präsentationen, eine ignorante Politik plus ein inexistenter Denkmalschutz haben verheerende Folgen: Man stapelt gesichtslose Neubauten unweit historischer Areale, reißt massenhaft Gründerzeithäuser ab, baut selbst das „Cottage“ gefühllos zu und knallt auf jede grüne Wiese rund um österreichische Orte ein EKZ, was (Überraschung!) die Stadtkerne veröden lässt.
➤ Mehr lesen: Wien scheitert an der Stadtplanung: Stattdessen gibt es Beton
In anderen europäischen Hauptstädten wurden alte Bahnhöfe, Markthallen oder Fabriken als Architekturdenkmäler erhalten und in coole Anziehungspunkte verwandelt. In Österreich hingegen lebt man vom alten Habsburger-Glanz, öffentlich finanzierten Belustigungsprogrammen, einer Art schlampigem Charme, guten Kaffeehäusern und mäßigem Kaffee – jeder Espresso in einem x-beliebigen italienischen Steh-Bistro ist besser.
Aber gibt es wenigstens neue, interessante Architektur? Kaum. Als gelungen wird schon gepriesen, wenn die Aussichtsterrasse den Blick auf alte k. u. k. Bauten ermöglicht. Es dominiert „zweckmäßige“ Bauherrnarchitektur (für die sich viele Architekten selbst schämen, es aber mit den Zwängen entschuldigen). Erstaunlich daran ist eigentlich nur, dass sich kaum jemand an diesen Zuständen stößt. Die Schönheit des Landes, ein Wert an sich, wird missachtet.
Kommentare